Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
nachdem sie den ganzen Tag an Zirkus-Nell gearbeitet hatte. (»Bis heute habe ich noch nie mit einem hundertzehn Pfund schweren Schimpansen in einem Clownskostüm gespielt, und ich habe nicht vor, mir diese Erfahrung ein zweites Mal anzutun, besten Dank.«)
    »Was machst du nach deiner Vortragsreise?« fragte sie Paul nach dem Abendessen in ihrem kleinen Haus, das Paul auf Anhieb sehr gut gefallen hatte. Paul, seine Cousine und Hobart saßen auf der kleinen Terrasse, wo es jetzt angenehm kühl war, nachdem sich die Sonne hinter die Hügel zurückgezogen hatte. Hobart schenkte einen ausgezeichneten roten Sonoma County nach. Es war halb neun, ein wunderschöner Sommerabend.
    Nach kurzem Nachdenken erwiderte er: »Ich glaube, ich werde nach Hause fahren zu Julie und den Kindern und mich dann wieder der Kriegsberichterstattung widmen. Und dann muß ich versuchen, jemanden zu finden, der meine Filme kauft. Ich habe ja nichts anderes gelernt.«
    »Es tut mir leid, daß du so ein ablehnendes Publikum hattest«, sagte Fritzi.
    »Sie begreifen es einfach nicht. Wenn ich, verdammt noch mal, nur wüßte, warum!«
    Hobart zog an seiner Zigarette und sah einer Vogelschar nach, die über den bernsteinfarbenen Himmel zog. »Der Krieg ist für die meisten Amerikaner immer noch keine Realität. Die Empörung über die Lusitania scheint abzuflauen. Der Krieg macht Amerika reicher. Ihre Landsleute wollen profitieren, eine schmerzhafte Beteiligung jedoch vermeiden.«
    Nach Einbruch der Dunkelheit baute Paul Fritzis Projektor in dem kleinen, gemütlichen Wohnzimmer mit den freigelegten Holzbalken und bunten Navaho-Teppichen auf und zeigte seinen Film. Als die sechs belgischen Männer und Frauen auf dem Acker starben, weinte Fritzi; Hobart fluchte.
    Paul schaltete das Gerät aus und die elektrische Beleuchtung wieder ein. Fritzi rieb sich die geröteten Augen, schniefte und steckte das Taschentuch ein.
    »Es gibt einen Menschen, der diese Bilder unbedingt sehen muß, Pauli - Papa.«
    »Chicago ist abgesagt. Ich mache dort nicht Station.«
    »Bitte überleg es dir noch mal. Mir zuliebe.«
    »Du willst, daß ich den Projektor aufstelle und ihn zwinge, sich einen Film anzusehen, der sein geliebtes Vaterland verunglimpft? Du hast mir doch erzählt, wie er zu diesem Krieg steht.«
    »Ja, aber du könntest ihn vielleicht dazu bringen, daß er seine Meinung ändert. Du kannst ja sagen, daß du es eigentlich nicht wolltest, ich dich aber überredet hätte. Ich nehme die Verantwortung auf mich. Er kann mich nicht mehr verachten, als er es ohnehin tut.«
    Paul schwieg. Er hatte es sich in einem tiefen Ledersessel bequem gemacht und die Beine ausgestreckt. Offene Schnürsenkel, die Weste verkehrt zugeknöpft. Die Krawatte war gelockert, sein Haar zerzaust. Etwas in ihm wehrte sich dagegen, die Wut des Generals auf Fritzi zu lenken. Hobart betrachtete die beiden mit müde herunterhängenden Lidern.
    »Bittest du mich darum, weil ich den Film gedreht habe und gerade verfügbar bin?«
    »Aber nein, ganz und gar nicht. Papa respektiert mich nicht mehr, dich aber schon. Und du gehörst zur Familie.« Sie faltete die Hände im Schoß. »Also ist es deine Pflicht. Papa hat den falschen Weg eingeschlagen, das schreibt Mama in jedem Brief. Du mußt es tun, Pauli
    - es sei denn, du hättest kein Gewissen mehr oder kein Gefühl für Moral. Aber ich weiß, daß das nicht so ist.«
    Er machte eine verzweifelte Geste zu Hobart.
    »Was sagen Sie dazu? Sie wirft ihre Köder geschickt aus, nicht wahr?«
    »Dafür gibt es in unserem Beruf geniale Lehrmeister«, murmelte Hobart.
    »Pauli, mach dich nicht lustig. Es ist eine ernste Sache«, mahnte Fritzi.
    »Bei Gott, das weiß ich. Schenk mir noch ein bißchen Wein ein, solange ich nachdenke. Es könnte damit enden, daß der General uns beide bis an sein Lebensende verachtet.«
83. KELLY ERTEILT ANORDNUNGEN
    Fritzi zog den Kopf aus Rogers Rachen. Eine unbeschreibliche Erlösung; Roger hatte Mundgeruch, wahrscheinlich von den vielen Steaks, Koteletts und Rinderrippen, mit denen er gefüttert wurde, damit er nicht in Versuchung kam, die Schauspieler zu beißen. Im Gegensatz zu Buster, dem hundertzehn Pfund schweren Schimpansen, neigte Roger aber nicht dazu, Fritzi aus Neugier auf den menschlichen Körper die Kleider vom Leib zu reißen.
    Roger war ein herrliches, wenn auch schon älteres Exemplar des Königs der Tiere. Er wog sechshundert Pfund und war vier Fuß groß; damit war sein Kopf auf gleicher Höhe mit Fritzis

Weitere Kostenlose Bücher