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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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unter der Sache mit der Lusitania, nicht wahr?«
    »Sehr ist gar kein Ausdruck.« Seit Sophie Pelzers grauenvollem Tod hatte sich ihr vages Interesse am Kriegsgeschehen in die leidenschaftliche Überzeugung gewandelt, Deutschland müsse bezwungen werden, wenn nötig mit Hilfe der Vereinigten Staaten. Womöglich trieb sie damit endgültig einen Keil zwischen sich und ihren Vater, aber man muß an seinen Prinzipien festhalten. Diesem Grundsatz hatte der General sein ganzes Leben untergeordnet, und er hatte seine Tochter entsprechend erzogen.
    »Das örtliche Bündnis für Verteidigungsbereitschaft hat für Samstag nachmittag einen Protestmarsch in der Stadt mit anschließender Kundgebung organisiert«, unterrichtete Hobart sie. »Ich werde mit marschieren. Kommst du auch?«
    »Wenn mich Eddie entbehren kann, auf jeden Fall.«
    »Du bist ein großartiges Mädchen.« Hobart zog sie in seine Arme und drückte sie.
    Dreihundert Teilnehmer versammelten sich vor dem Moroscos Globe Theater am South Broadway zum Protestmarsch. Es war eine buntgemischte Gruppe aus Suffragetten, Akademikern, ärmlichen Bohemiens, Sozialisten, Studenten und kleinen alten Damen aus Alkoholgegner-Vereinigungen. Hobart drückte Fritzi ein an einem Stab befestigtes Plakat in die Hand.
    GREIFT ZU DEN WAFFEN!
    DIE HUNNEN
    Müssen
    aufgehalten werden!
    Fritzi hob das Plakat hoch und reihte sich neben Hobart ein, eine fünfköpfige Musikkapelle übernahm die Führung und schmetterte The Battle Cry of Freedom, Der Schlachtruf nach Freiheit. Sie schwang ihr Plakat im Takt der Musik.
    Der Nachmittag war grau und kühl und ließ Regen ahnen. Fritzi hatte deshalb einen eher schlichten Rock und eine Jacke aus schottischem Tweed angezogen, dazu eine weiße Leinenbluse und eine weiße Krawatte im Ascot-Stil. Ihre Kopfbedeckung hatte sie wohlüberlegt ausgewählt: einen ausladenden Matrosenhut aus schwarzer Seide, dessen breite Krempe ein wenig herunterhing und ihr Gesicht teilweise verdeckte. Sie war bereit mit zu marschieren, aber sie wollte nicht unbedingt die Aufmerksamkeit auf ihre Person lenken. Ihre Hoffnung, der Hut könnte dabei eine Hilfe sein, erwies sich rasch als reichlich naiv. Der Zug war gerade einen Block weit gekommen, als ein Straßenbengel vom Bürgersteig auf sie zeigte. »Seht doch nur, das ist die Nellie aus dem Kino.« Bald folgte ihr eine kleine Schar von Verehrern.
    Hobart bemerkte ihr Unbehagen. »Da kann man nichts machen, meine Liebe, du bist einfach berühmt. Ich könnte mir denken, daß sie dich bitten werden, auf dem Platz ein paar Worte zu sagen.«
    »Oh, ich kann doch unmöglich ...«
    »Natürlich kannst du.«
    »Ich bin nicht vorbereitet.«
    »Doch, das bist du. Du bist intelligent, du bist tief berührt von den Ereignissen der letzten Zeit - wenn dir Zweifel kommen, denk einfach an Pelzer.« Ein Schauder lief Fritzi über den Rücken. Ohne es recht zu merken, war sie auf einen Weg geraten, der plötzlich eine andere Wendung genommen hatte.
    Sie marschierten den Broadway hinauf bis zur Zweiten Straße, dann nach Westen bis zur Hill Street und dann wieder nach Süden zu dem Platz an der Sechsten Straße. Die Kapelle spielte jetzt Onward, Christian Soldiers, Vorwärts, christliche Soldaten. Kurz vor der Vierten Straße fingen einige Radaubrüder vor einer Kneipe namens Wittke’s Old Bavaria an, den Protestzug zu verhöhnen und mit Steinen und Dreckklumpen zu bewerfen. Ein weißhaariger Professor, der zwei Reihen vor Fritzi marschierte, taumelte, als ein Stein seine Stirn streifte. Schlammspritzer klatschten auf Fritzis Hut. Noch mehr Störenfriede stolperten aus der Kneipe. Einer von ihnen warf einen flachen Schlegel auf die Marschierenden. Der Paukenspieler fing ihn in der Luft auf und schleuderte ihn zur Seite.
    Einer von den Rabauken rief Fritzi zu: »He, du rote Schlampe, bleib bei deinen Filmen!« Er warf einen roten Ziegelstein. Hobart schrie: »Paß auf!« und schubste sie zur Seite. Im gleichen Augenblick wurde der Täter auf dem Randstein von einem Mann am Kragen gepackt und mit einem Fausthieb niedergestreckt. Nicht faul, schlug der seinem Angreifer den Hut vom Kopf. Angewidert ging Fritzi weiter, während die beiden weiterrauften.
    Auf dem Kundgebungsplatz versammelten sich die Demonstranten vor einigen benebelten Landstreichern und Saufbrüdern. Der Präsident des Bündnisses für Verteidigungsbereitschaft bat Fritzi tatsächlich, auf die Rednerbühne zu treten und ein paar Worte zu sagen. »Bitte«, beschwor er sie,

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