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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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ebenfalls entschieden. Seine Lordschaft war hoch beglückt. Als sie den Club verließen, steckte er eine Geldnote in Pauls Brusttasche.
    »Da sind zehn Pfund. Vorschuß auf Ihr Gehalt. Führen Sie Ihre Frau aus. Ein gutes Abendessen, ein Variete, mit meiner Empfehlung.« Mit schelmischem Augenrollen gestand er: »Ich wollte Sie von
    Anfang an zurücklocken. Seien Sie ein guter Junge und rufen Sie den Personalchef so bald wie möglich an. Grüße an die Gattin. Auf Wiedersehen.«
    Er war in seiner von einem Chauffeur gesteuerten RollsLimousine entschwunden, bevor Paul ihm das Geld zurückgeben konnte.
    Der Gedanke, am Abend auszugehen, gefiel Julie. Da sie Barbara, ihr Mädchen, ebenfalls an eine Munitionsfabrik verloren hatten, bat Julie Michaels Frau Cecily, den Abend über bei Betsy, Lottie und Teddy zu bleiben. Sie und Paul nahmen ein Taxi durch die abgedunkelten Straßen zum Hotel Waldorf in Aldwych, einem schönen alten Restaurant im Stil Eduards VII. mit ausgezeichneter Küche. Sie aßen Roastbeef mit Yorkshire Pudding und tranken eine gute Flasche Rotwein dazu, ehe sie um halb acht die wenigen Treppen zum Vaudeville Theater eilten, wo Chariot’s Revue gastierte. Paul hatte zwei Karten für das Parkett erstanden, an einem Außengang.
    Ungefähr um Viertel vor zehn, mitten in einer komischen Nummer mit einem Tenor und dem beliebten Star Eustacia Van Sant, wurde der Saal von einer gewaltigen Erschütterung heimgesucht. Die geistesgegenwärtige Schauspielerin trat mit einem beruhigenden Lächeln an den Bühnenrand. »Ach, schon wieder Verteidigungsübungen.« Die Zuschauer, die sich von ihren Plätzen erhoben hatten, setzten sich wieder. Paul steckte das Programm in seine Seitentasche und flüsterte in Julies Ohr.
    »Das bezweifle ich. Möchtest du hierbleiben, während ich nachschaue?«
    »Auf keinen Fall.«
    Er wartete eine Minute, damit es nicht den Anschein hatte, als flüchteten sie. Sie gingen durch den von einem Vorhang abgetrennten Gang hinauf zur Eingangshalle. Als sie diese durchquerten, erleuchtete eine weitere Explosion über der Wellington Street die Nacht. Julies Hand fest umklammert, eilte Paul darauf zu.
    Suchscheinwerfer warfen ihr gebündeltes Licht durch die Dunkelheit auf einen Punkt am Himmel über der Stadtmitte. Sirenen heulten. »Zeppeline. Zeppeline.« Als Paul hinaufblickte, sah er ein langes, stromlinienförmiges Luftschiff, auf dem sich die Strahlen trafen.
    Bodengeschütze im entfernten Green Park eröffneten das Feuer. Brandgranaten, die auf das silberne Ungetüm abgefeuert wurden, hinterließen blauweiße Spuren am dunklen Nachthimmel, flogen jedoch nicht weit genug. Zwei Taxis mit abgeblendeten Lichtern, die einander gerade überholten, wurden von einer zweiten, ohrenbetäubenden Bombenexplosion erwischt. Sie explodierten in einem Feuerball.
    Schaufensterscheiben zerbarsten. Glassplitter flogen in alle Richtungen. Paul legte die Arme schützend um Julie. Er sah, wie Menschen durch die Luft direkt auf ein Flammenmeer zugeschleudert wurden, das aus einem riesigen Krater loderte. Jemand schrie: »Eine Gasleitung!«
    Die Bodengeschütze setzten ihre Sperrfeuer fort, während der Zeppelin über die Charing Cross Station dahinglitt. Irgendwo schlug eine weitere Bombe ein. Aus den Theatern, Cafés und Pubs strömten die Menschen heraus. »O Gott, wie furchtbar«, sagte Julie. »Sollten wir nicht weg von hier?«
    »Doch, du hast recht, komm, wir ... Warte.« Im Flammenschein sah er eine von einem Schutthaufen halb bedeckte Gestalt. Eine alte Frau mit zerzaustem weißem Haar. Sie winkte schwach mit der Hand.
    Ein gebrechlicher Mann gleichen Alters wandte sich hilflos flehend an Paul. »Das ist meine Frau Liddy. Können Sie uns helfen?«
    Paul brachte Julie in einem Ladeneingang in Sicherheit und rannte zurück, um den Schutt mit den bloßen Händen wegzuräumen. Der alte Mann wollte ihm helfen, war jedoch kaum in der Lage, die Steinbrocken auch nur hochzuheben. Ächzend hievte Paul einen Stein nach dem anderen auf die Seite. Dabei kam auch eine zerbrochene Gardenienschale zum Vorschein.
    Der Blick der alten Dame ruhte hoffnungsvoll auf ihm, als er den letzten Steinbrocken von ihren blutigen Beinen hob. Der Zeppelin ließ auf seinem Weg nach Westen noch eine Bombe fallen. Gäste eines kleinen Hotels, manche in Schlafgewändern, irrten umher, doch ihre aufgeregten Fragen blieben unbeantwortet. Der Verkehr in der Strand Street staute sich in beiden Richtungen. Als Paul die alte Frau aufhob,

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