Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
Deutschen besetzten Gebiets vier Flugzeuge von Carls Geschwader auf sechs rote Dreidecker. Im Handumdrehen schwärmten die Deutschen über und unter ihnen.
    Eine der roten Fokker heftete sich an Carls Fersen; egal, wohin er auswich und wie er manövrierte, der Deutsche war immer da. Vielleicht kannte der Pilot Carl; für Flieger gab es Möglichkeiten, den Feind zu identifizieren. Carl kannte den Deutschen nicht und wollte ihn auch nicht kennen.
    Nach einem Luftkampf, der fast zehn Minuten dauerte, ohne daß ein Sieger auszumachen war, mußte Carl einen Treffer hinnehmen, der seinen Motor beschädigte. Er spähte zur Seite, um seine Position auszumachen. Die Flakabwehrgeschütze des Feindes - sie nannten sie Archie -, waren gedreht worden, um auf französische Flugzeuge zu feuern. Durch die aufsteigenden schwarzen Wolken signalisierte Carl einem seiner Gefährten, daß sein Motor beschädigt sei, zog eine Kurve und drehte nach Westen ab.
    Die Fokker war direkt hinter ihm, feuerte aber nicht. Carls beschädigte Benzinleitung verlor Treibstoff. Vor ihm tauchten die Ballons auf, die für die deutsche Artillerie nach nahenden Feinden Ausschau hielten. Normalerweise waren sie drei Meilen hinter der Grenze zum Niemandsland festgemacht, woran er erkennen konnte, wie weit er noch fliegen mußte, bis er in Sicherheit war. Er drehte Bébé, um zwischen zwei Drachen hindurchzugleiten; der Gehilfe im Ballonkorb zu seiner Linken feuerte aus seinem Gewehr drei Salven, ohne ihn zu treffen.
    Kurz darauf war Carls ganzer Treibstoff verbraucht. Der Motor stotterte, dann setzte er ganz aus. Carl verlor an Höhe. Das Knattern der deutschen Flakabwehr wurde immer leiser. Er nahm den Helm ab und blickte zurück. Der Deutsche in der Fokker war noch da. Carl rechnete fest damit, abgeschossen zu werden, vielleicht erst, wenn er schon fast außer Gefahr war. Schließlich war es die Aufgabe von Kriegsfliegern, feindliche Flugzeuge abzuschießen. Dennoch gab es einen auf beiden Seiten geltenden Ehrenkodex. War man in ritterlicher Stimmung und hatte die Maschine des Feindes außer Gefecht gesetzt, bestand keine Notwendigkeit, den Flugzeugführer zu töten. Offenbar war der Deutsche in dieser Stimmung. Er flog rechts an Carl vorbei und grüßte ihn mit zufriedenem Lächeln und einem fröh-lichen Winken mit einem Lederhandschuh. Helm und Brille verbargen alles außer dem Lächeln.
    Dann drehte er ab und war weg. Carl hielt Bébé in der Luft, bis er die deutschen Schützengräben sah und hinter ihnen, in der Ferne, die französischen Ballons, Caquots, in einer ähnlichen Linie vertäut, wie sie die Deutschen hatten. In fünfhundert Fuß Höhe glitt er über die Gräben, begleitet von sinnlosem Beschuß vom Boden aus, der ihm nichts anhaben konnte. Er nahm Kurs auf ein Gebiet zwischen Minenkratern im Niemandsland, so nah wie möglich an den vordersten Schützengräben der Franzosen. Behutsam zog er das Flugzeug immer weiter nach unten ...
    Der Boden war rauher, als es von oben ausgesehen hatte. Etwas verfing sich im Fahrgestell, so daß das Flugzeug nach vorne kippte und Carl aus dem Sitz geschleudert wurde. Er landete mit voller Wucht auf der linken Seite. Wie ein roter Blitz durchzuckte ihn der Schmerz, ehe er ohnmächtig wurde.
    Rasende Schmerzen in seinem linken Arm ließen ihn wieder zu sich kommen. Die Deutschen nahmen ihn aus ihren Schützengräben unter Beschuß. Er robbte in die andere Richtung durch den ekelerregenden Gestank von Schmutz und Exkrementen, der wie eine Glocke über der gesamten Westfront lag. Seine linke Hand war ohne Gefühl; sein Arm hing wie ein abgeknickter Ast herab. Er kroch durch Stacheldrahtschlingen, indem er sich mit dem rechten Arm vorwärtszog und mit den Knien nachschob. Der Stacheldraht verletzte ihn am Nacken. Wieder wurde Tess’ Schal mit seinem Blut getränkt.
    Halb bewußtlos stürzte er in einen Graben und nannte einem französischen Poilu mit letzter Kraft seinen Namen, ehe er wieder in erlösende Dunkelheit versank.
    »Schauen Sie«, forderte man ihn auf und reichten ihm einen Handspiegel an sein Krankenbett.
    Sein Haar war vollkommen weiß.
    »Ihr linker Arm ist gelähmt«, hieß es. »Wenn nur die Nerven verletzt sind, werden Sie ihn eines Tages vielleicht wieder bewegen können. Vielleicht auch nicht. Auf jeden Fall können Sie nicht mehr fliegen. Wir schicken Sie nach Hause.«
    Carl war zu müde und niedergeschlagen, um Erleichterung zu verspüren.
    »Das ist für Sie. Kam in einem Behälter, den

Weitere Kostenlose Bücher