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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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spürte er, wie sie erstarrte. Ihr Kopf fiel schlaff zur Seite.
    Paul und der alte Mann sahen sich in dem flackernden Licht an. »O nein, Liddy, bitte, lieber Gott, nein«, stammelte der Mann. »Bitte, lieber Gott, nicht Liddy. Heute ist doch unser Hochzeitstag. Neunundvierzig Jahre.«
    Die Suchscheinwerfer tasteten den Himmel ab. Kleine Eindecker mit flammenspeienden Auspuffrohren nahmen die aussichtslose Verfolgung des Luftschiffs auf. In der Menschenmenge auf der nördlichen Seite der Strand Street erkannte Paul Julie, die ihm mit dem zusammengerollten Programmheft zuwinkte. Er konnte mit der toten Frau in den Armen nicht zurückwinken.
    Polizisten deckten die Tote zu und leiteten den Verkehr durch die engen Durchgangsstraßen nördlich von Aldwych und der Strand Street. Paul und Julie mußten über Haymarket und Piccadilly bis in die Nähe des Ritz gehen, um ein Taxi zu ergattern. Am Cheyne Walk saßen sie eine Stunde mit Cecily zusammen und berichteten ihr von den Grauen des Bombenangriffs, bevor auch sie in einem Taxi nach Hause fuhr.
    Paul konnte nicht schlafen. Er hielt Julie in den Armen, während in seinem Kopf immer wieder die gleichen Bilder abliefen: die hellen, feuchten Augen der alten Dame, als er die Steintrümmer von ihrem zerschmetterten Körper räumte. Wie ihr Kopf plötzlich zur Seite rollte und ihre Augen sich trübten. Ihm fiel auch jene Nacht in Santiago auf Kuba ein, es war das Ende eines anderen Kriegs gewesen, in einem anderen Jahrhundert. Michael hatte betrunken die Worte aus der Offenbarung des Johannes gerufen: »>Und es geschahen Blitze und Stimmen und Donner und Erdbeben und ein großer Hagel ... und die Völker sind zornig geworden .. .<«
    Am nächsten Abend lag beim Essen ein Stapel Zeitungen vor Paul auf dem Tisch, darunter die London Light und Daily Mail. Paul griff nach seiner Teetasse und blickte dabei unverwandt in die wunderschönen dunklen Augen seiner Frau. Die Finger der anderen Hand trommelten auf das Titelblatt der Light.
    »Zeppeline. Giftgas. U-Boote. Großer Gott Julie, in was für eine Welt entlassen wir unsere Kinder?«
    »Auf jeden Fall in eine andere als die alte«, seufzte sie. »Laß uns hoffen, daß wir alle überleben.«
    »Millionen werden sterben. Was Michael den >großen Fleischwolf< nennt, ist in Frankreich bereits in vollem Gang.«
    »Aber du wirst zurückgehen.«
    »Ich muß zurückgehen. Sammy ist auch bereit. Es ist unser Beruf, Julie.«
    »Natürlich«, erwiderte sie und griff mit Tränen in den Augen nach seiner Hand.
86. OPFER
    Im Spätsommer schoß Carl sein zweites deutsches Flugzeug ab. Der Abschuß war weder einfacher noch weniger schrecklich als der erste, aber er war anders; weniger gefühlsbeladen. Wegen des ersten erfolgreichen Luftkampfes durfte er ein schwarzes Malteserkreuz auf die Verkleidung der Nieuport malen. Während er mit dem Pinsel die Farbe auftrug, mußte er unwillkürlich denken, daß auch sein Herz ein Mal trug. Nur daß dieses für immer darauf lasten würde.
    Die Nachricht von René Le Mayes Tod war ein schwerer Schlag für ihn gewesen. René hatte es einmal zu oft mit einem Drachen, dem Beobachtungsballon, den sie im Spaß Mädchentraum nannten, aufgenommen. Lange Reihen dieser Drachen waren entlang der deutschen Front aufgereiht, jeder von ihnen von einem Stahlseil gehalten, an dem eine Telephonleitung zum Boden führte. René hatte sich wie üblich einem Ballon genähert, um mit einer Salve die tausend Kubikmeter Wasserstoff in der Hülle über dem Beobachtungskorb in Brand zu setzen. Aus irgendeinem Grund hatten seine Geschütze Ladehemmung, weshalb er versuchte, den Ballon mit seiner Flügelspitze aufzuschlitzen. Ein Kamerad aus seiner Schwadron bestätigte, daß ihm dies auch gelungen war, aber ein verirrter Funke aus dem Motor löste genau in diesem Moment eine Explosion aus, die René, sein Flugzeug sowie den Späher und dessen Helfer in dem schaukelnden Korb mit in den Tod riß.
    Carl war tief erschüttert, als er davon erfuhr. Sein Gemütszustand verfinsterte sich mehr und mehr. Die Prahlerei der Kampfflieger war nichts als trügerischer Schein, wie er bald herausgefunden hatte. Major Depardieu hatte es in ehrliche Worte gefaßt. »Nerven und Geist der Flieger stehen unter unvorstellbarer Anspannung. Das kann jemand höchstens vier Monate aushalten, ehe er zerbricht. Vorausgesetzt natürlich, er bleibt so lange am Leben.«
    An einem herrlichen Oktobernachmittag stießen etwa sechs Meilen innerhalb des von den

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