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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Telegraphenleitungen, Droschkenpferde und Brauereigäule, ab und zu auf eine Elektrische oder ein rauchendes Dampfauto. Es fiel auf die immer größer werdende Menschenmenge, welche die Gehwege bevölkerte oder vor den verschiedenen Fahrzeugen die mit Pferdeäpfeln übersäten Straßen überquerte. Fritzi trat kräftig in die Pedale und schlängelte sich durch den Verkehr. Hin und wieder mußte sie schnell zur Seite ausweichen, um einen Zusammenstoß zu vermeiden.
    In der Nähe einer Kreuzung lag ein umgekippter Milchwagen, die heruntergefallenen Kannen mit der auslaufenden Milch blockierten den ganzen Michigan Boulevard. Fritzi radelte schwungvoll über den Bordstein an der Ecke, um Richtung Westen die Jackson hinunterzusausen bis zur State Street und von da aus weiter nach Süden zu fahren. Die Sonne stand jetzt höher und beleuchtete den Eingang eines Ladens, der seit neuestem in ein Fünf-Cent-Theater verwandelt war, wo man sich bewegte Bilder ansehen konnte. Es trug den vielversprechenden Namen Bijou Dream. Der Blick durch die Fenster wurde durch schwere Vorhänge verwehrt, hinter denen sich nach Meinung der Öffentlichkeit allerhand Verbotenes verbarg. Auf geschmacklosen, grellen Schildern wurde um Zuschauer geworben:
    TÄGLICH NEUES PROGRAMM!
    Kurzweilige Unterhaltung für Männer, Frauen und Kinder!
    Fritzi rümpfte die Nase. Ein Junge aus der Laienschauspieltruppe arbeitete in dem Filmtheater, er bediente die Kurbel des Projektors. Die Freikarten, die er für seine Mitspieler besorgte, warf Fritzi jedesmal in den nächstbesten Abfalleimer, denn ehrbare Bürger setzten keinen Fuß über die Schwelle so schäbiger Etablissements. Und bevor sie je in einer dieser Kraut-und-Rüben-Bildergeschichten aufträte, würde sie lieber sterben. Schließlich war sie eine ernstzunehmende Bühnenschauspielerin.
    Oder würde eine werden, wenn sie die Kraft aufbrachte, Chicago den Rücken zu kehren und ihren Traum in New York zu verwirklichen.
2. LANDSTREICHER
    Im Hunderte von Meilen weiter östlich gelegenen Riverdale, einer kleinen Ortschaft am Nordrand von New York City, klapperte ungefähr zur gleichen Zeit Carl Crown ein Haus nach dem anderen ab. Er war auf der Suche nach Arbeit und Brot.
    Fritzis jüngerer Bruder war im November vierundzwanzig geworden. Seit man ihn nach dem ersten Studienjahr aus Princeton rausgeworfen hatte, wanderte er ziellos umher. »Bull« Crown war der Star des Football-Teams gewesen, aber in seinen schulischen Leistungen ein totaler Versager. Er war intelligent, aber weder fleißig noch ehrgeizig.
    Heute war Carl zur Abwechslung gekämmt und rasiert. In Poughkeepsie hatte er als Gegenleistung für eine Rasur und einen Haarschnitt einen Friseursalon gereinigt. Seine zusammengewürfelte Kleidung war verhältnismäßig sauber. Er trug ausgebleichte Jeans, ein blaues Flanellhemd, einen karierten Wintermantel mit Kragen aus Cordsamt und hohe, seitlich geschnürte Stiefel. Er bemühte sich nach Kräften, sich sauber zu halten, erstens, weil er so erzogen war, und zweitens, weil er dadurch einen besseren Eindruck an der Haustür machte. Die meisten Landstreicher sahen aus, als kämen sie geradewegs aus dem Heuschober.
    Den ganzen Morgen wurden ihm die Türen vor der Nase zugeschlagen. Auch am Nachmittag änderte sich daran nichts. Als die winterliche Sonne hinter den Palisaden auf dem westlichen Steilufer am Unterlauf des Hudson River unterging, war er mutlos und ausgehungert. Er klopfte an die Küchentür eines hübschen Häuschens mit weißem Lattenzaun und einem kleinen Vorgarten, der für den Winter abgeräumt worden war.
    Eine einfache, blasse Frau Anfang Dreißig öffnete die Tür. Ein wenig erschrocken trat sie einen Schritt zurück. »Ja, bitte?« Carl versuchte, nicht auf die zwei goldgelben Kuchen zu starren, die auf dem Küchentisch auskühlten.
    »Hab’n Sie vielleicht Arbeit für mich, Ma’am? Ich heiße Carl und bin sozusagen auf der Durchreise. Ich habe geschickte Hände.«
    Er streckte sie vor, sie waren sauber, die Nägel hielt er mit der Feile seines Taschenmessers kurz. Für einen kräftigen Mann wie Carl waren seine Hände erstaunlich schlank und zart.
    Die Frau musterte ihn im schwindenden Licht des Tages. »Na ja, meine Tochter Hettie ist vergangenen Samstag mit dem Fahrrad gestürzt. Seitdem ist es kaputt. Wenn Sie es reparieren, geb’ ich Ihnen dreißig Cent. Ich bin Witwe und selbst handwerklich furchtbar ungeschickt.«
    Aus einem der Zimmer drang die Stimme eines Mädchens:

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