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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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wieder auf den Weg.«
    »Werde ich«, versprach Carl mit einem schiefen Lächeln. »Bin ich gewöhnt.«
3. PAUL UND SEINE FRAU
    Einen Tag später tigerte Carls und Fritzis Vetter Paul jenseits des Atlantiks im wogenden, eleganten London in der Nähe des Victoria Embankment ungeduldig auf und ab. Es war Freitag, der Tag, an dem das Parlament nicht tagte. Die meisten Parlamentsmitglieder hielten sich in ihren Büros auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf.
    »Siehst du was?« fragte Paul seinen Freund Michael, einen Reporter des London Light.
    »Noch nicht«, rief Michael ihm von der Straßenecke zu, ohne den Blick vom Eingang der Untergrundbahn in der Nähe der Bridge Road zu nehmen, hinter der Big Ben und die gotische Pracht von Westminster Abbey zu sehen waren.
    Paul Crown war neunundzwanzig. Er war von Beruf Kameramann, einer, der »Aktuelles« einfing - Dramatisches und Einmaliges aus der ganzen Welt. Sein Metier hatte er in Chicago erlernt, wo er als Lehrling des lasterhaften Colonel R. Sidney Shadow angefangen hatte. Vor seinem Tod hatte der Colonel die American Luxograph Company an einen englischen Zeitungsbaron verkauft, der die Firma unter ihrem alten Namen und mit ihrem ersten Kameramann weiterführte. Vor drei Jahren war Paul mit seiner Familie nach London gezogen.
    Pauls Kamera stand auf dem Bordstein, mitten im Gewimmel von Reportern und Photographen. Darunter waren auch drei weitere Kameras, die der Konkurrenz gehörten. Der Marsch der WSPU war seit langer Zeit geplant, auch wenn das nicht publik gemacht worden war. Trotzdem hatten Behörden und Presse Wind davon bekommen.
    Der Mann von Pathe rief: »He, Dutch, was, wenn sie deine Missis ins Kittchen stecken?« In Amerika hießen alle Deutschen »Dutch«. Der Spitzname war ihm geblieben.
    »Dann werde ich wohl oder übel die Kiddies solange allein versorgen müssen«, gab Paul mit verkrampftem Lächeln zurück. Daß Julie an diesen Märschen teilnahm, bereitete ihm nicht wenig Kopfzerbrechen, aber er hütete sich, sie zu bitten, es nicht zu tun. Pauls Frau war eine glühende Anhängerin der neuen Frauenbewegung und eine begeisterte »neue Frau«. Vielleicht war es die Reaktion auf ihre Kindheit in Chicago, wo ihre krankhaft nervöse Mutter jedes Unabhängigkeitsbestreben der Tochter unterdrückt und Julie schließlich in eine kurze, lieblose Ehe gezwungen hatte.
    Michael kam von seinem Posten zurückgeeilt. »Sie kommen aus der U-Bahn herauf. Ach, was für eine schreckliche Bedrohung der Menschheit«, stellte er mit gewohntem Sarkasmus fest.
    Paul rannte zur Ecke, ungeachtet des sich verschlimmernden Schmerzes im unteren Rückenbereich. Vor einigen Wochen hatte er in Marokko eine schwere Kiste gehoben und sich irgend etwas verrenkt. Obwohl er vor Schmerzen nachts oft nicht schlafen konnte, klagte er nicht.
    Er sah die Frauen, die sich in zwei Gruppen von ungefähr zwölf und fünfzehn aufgeteilt hatten, in der Mitte der Straße nach Norden ziehen. Trotz langer Kleider und Hüten mit Federn marschierten sie wie Soldaten. Jede Frau trug ein zusammengerolltes Papier. Der Kutscher einer Droschke, dem von den Frauen der Weg versperrt wurde, schlug vor lauter Zorn mit der Peitsche auf sein Pferd ein. In der zweiten Reihe erspähte Paul seine wunderschöne Frau mit ihrem ovalen, porzellanweißen Gesicht. Julie und die anderen gehörten Mrs. Emmeline Pankhursts Women’s Social and Political Union, kurz WSPU, an, der radikalsten Organisation der Frauenrechtsbewegung. Die nicht mehr junge Gründerin marschierte zwischen ihren beiden Töchtern Sylvia und Christabel in der vordersten Reihe. Mrs. Pankhurst, Tochter eines liberal denkenden Industriellen aus Manchester, war die Witwe eines noch weitaus liberaleren Rechtsanwaltes.
    Die Marschierenden, die den Verkehrsstau, den sie verursachten, nicht im geringsten beachteten, lächelten und schwatzten. Ein Unbeteiligter hätte beim Anblick der Frauen annehmen können, daß sie sich trotz des naßkalten Tages und verhangenen Himmels wie an einem milden Frühlingstag auf dem Weg zu einem Picknick befanden.
    Kopfschüttelnd kehrte Paul zu Michael zurück. »Sieht aus, als würden diese verdammten Demonstrationen allmählich überhandnehmen. Kürzere Arbeitszeiten, Enthaltsamkeit, Abrüstung, Wahlen - jeder will irgend etwas. Die Welt wird immer verrückter.«
    »Aus dir spricht der Kameramann. Unruhen und Katastrophen sind unser täglich’ Brot, vergiß das nicht.« Wie wahr. Anfang des Jahres war Paul überstürzt

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