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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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von Clymers gediegenem weißem Anzug und Wayne Sykes’ gutsitzendem Jackett und seiner grauen Hose kam sich Carl schäbig vor. Er schritt auf Tess’ Stuhl zu, um ihn für sie zurechtzurücken, aber Sykes war schneller.
    Im funkelnden Licht des elektrischen Kronleuchters konnte Carl die beiden Männer eingehend betrachten. Lorenzo Clymers Gesichtszüge waren wenig bemerkenswert. Er war klein, von schmächtiger Statur, mit kleinen Händen und glattem dunklem Haar. Offensichtlich war Tess, was die Größe anbetraf, ihrer Mutter nachgeschlagen. Carl wußte bereits einiges über den Gastgeber. Der Selfmademan Clymer hatte es bis zum Millionär gebracht; er hatte eine gutgehende Eisengießerei gegründet, eine weitere sowie einen Schmelzbetrieb dazugekauft und schließlich noch Gußgehäuse für Lokomotiv- und Eisenbahnwagenräder hergestellt. Damit war er ein reicher Mann geworden. Sein zweites Vermögen hatte er verdient, als er das Ganze an die riesige Michigan Car Company verkauft hatte. Andere Unternehmen hatte er behalten; Jesse arbeitete in Clymers erster Gießerei.
    »Erzählen Sie etwas von sich, Carl«, bat Clymer. »Woher kommen Sie?«
    »Chicago. Meinem Vater gehört die Brauerei Crown.«
    »Crown Lager? Nie probiert«, warf Sykes ein, während er sich vom Reis bediente und die Schüssel weiterreichte. »Ich persönlich ziehe Whiskey vor. Wenn nicht Kentucky Bourbon, dann französischen Champagner, stimmt’s Tess?«
    Er sagte es in einem Ton, als teilten sie ein Geheimnis, das Carl unmöglich kennen konnte. Sykes, ein paar Jahre älter als Carl, war schlank und gebräunt und hatte kastanienbraunes Haar. Er vermittelte den Eindruck von geschmeidiger Kraft wie ein Ruderer oder Tennisspieler. Seine Nase war lang, sein Mund beweglich, und in seinen schwarzen Augen lag ein bösartiges Funkeln. Oder bin ich etwa nur eifersüchtig?
    »Auf welcher Universität waren Sie, mein Guter?« fragte Sykes.
    »Princeton.«
    »Wann abgeschlossen?«
    »Gar nicht.«
    »Ach wirklich? Hm. Ich in Harvard ’98.«
    »Was, wie bei allen Absolventen Harvards, zur Einbildung verleitet«, neckte Tess ihn.
    Lorenzo Clymer gab dem Serviermädchen am Sideboard ein Zeichen. »Schlaf nicht ein, Greta, schenk Wasser nach!«
    »Entschuldigung, Sir.«
    »Wo arbeiten Sie, Carl? Haben Sie einen Beruf?«
    Er war auf diese Frage vorbereitet. Er hatte mit Jesse darüber gesprochen, der ihm geraten hatte, bei der Wahrheit zu bleiben, obwohl er die Ansichten Clymers über Henry Ford kannte. »Irgendwann mußt du es ihm doch sagen, wenn du wirklich so verrückt nach dem Mädchen bist, wie’s aussieht«, hatte Jesses Rat gelautet.
    »Ich habe eigentlich gar keinen Beruf, Sir. Ich bin Fahrer für die Ford Motor Company.«
    »Ah so.« Sykes warf seine Serviette auf den Tisch und lehnte sich mit verschränkten Armen zurück. Die Bedeutung seines kurzen Kommentars war klar: Carl hatte sich selbst ans Messer geliefert. Ein Blick auf Lorenzo Clymers Gesicht genügte, um zu wissen, daß er Sykes’ Meinung teilte.
    »Ich erwarte von Ihnen nicht, daß Sie Ihren Arbeitgeber verraten, Carl. Das wäre in der Tat ein absoluter Vertrauensbruch. Aber Sie dürfen auch nicht erwarten, daß ich mit meinen Ansichten über Henry Ford hinter dem Berg halte. Der Mann ist ein Bauerntölpel mit
    einem Selbstbewußtsein, so groß wie ein ganzer Stall.«
    »Ein Clown«, fügte Sykes hinzu. »Er stammt aus einer bettelarmen irischen Familie aus Cork.«
    »Vor sieben Jahren hat Henrys Rennwagen 999 hier in Grosse Pointe Alex Wintons Bullet geschlagen«, sagte Clymer.
    »Ja, ich weiß«, erwiderte Carl.
    »Auf der Grundlage dieses Erfolges«, fuhr Clymer fort, »wurde die Henry Ford Company gegründet. Ich habe ziemlich viel Geld hineingesteckt. Innerhalb von sechs Monaten hat Henry die Firma mit seiner Stümperei beinahe zugrunde gerichtet. Der Aufsichtsrat hat ihn rausgeschmissen und der Firma einen guten Detroiter Namen verpaßt: Cadillac. Ich habe viel Geld verdient, als ich meinen Anteil verkaufte, aber ich sage Ihnen eins, mein Sohn: Henrys Ideen sind keinen Pfifferling wert. Dieses neue Modell T wird schnell eingehen, wenn das erste Interesse abgeflaut ist. Ich persönlich würde mich in einem solchen Auto ohnehin nie sehen lassen. Ein kluger Autohersteller produziert für gehobene Ansprüche.«
    »Entschuldigen Sie, Mr. Clymer, aber gibt es nicht mehr gewöhnliche als reiche Leute«, warf Carl zur Verteidigung ein.
    »Na ja, schon«, gab Sykes lachend zu, »aber wer will

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