Fremde Federn
wie’s aussieht, stelle ich mich bei den Spielen, die hier draußen gespielt werden, ziemlich ungeschickt an.«
»Wayne war gräßlich. Ich glaube, er sieht in Ihnen einen Konkurrenten.«
»Wo sollte ich mit ihm konkurrieren?«
»Bei mir«, sagte Tess und hakte sich bei ihm ein. »Bleiben Sie nicht stehen. Er steht auf der Veranda und beobachtet uns.«
Sie bogen nach rechts zur Hauptstraße ab. Dort, wo nicht hin und wieder das Mondlicht durch die fast kahlen Bäume fiel, umfing sie Dunkelheit. Tess’ volle Brüste drückten sich an Carls Arm, erregten ihn.
»Sind Sie wütend auf Wayne?«
»Am liebsten hätte ich einen Stuhl genommen und ihm das Hirn aus dem Schädel geprügelt.«
»Das nenn’ ich einen Gentleman, der sich so beherrschen kann! Sie können Ihre Wut gut verstecken.«
»Sie kommt nur dann zum Ausbruch, wenn man mich wirklich bis aufs Blut reizt.«
»Passiert das oft?«
»Alle fünf Jahre vielleicht.«
An der Ecke des Grosse Pointe Drive sagte er: »Ich mache mich jetzt auf den Weg.« Im Schatten eines mondbeschienenen Baumes stand er ihr gegenüber. Er spürte die Wärme ihres Atems, sog den schwachen Orangenduft ihrer Haut ein. Am liebsten hätte er sie in die Arme gezogen und geküßt, aber er wagte es nicht. An diesem Abend war schon genug danebengegangen.
»Wissen Sie was, Tess, ich glaube, Ihr Vater wird sagen, daß ich keinen Pfifferling wert - nein, lassen Sie mich ausreden. Ich bin einfach nicht sein Typ. Wenn ich Sie wiedersehe, dann sollten wir uns woanders treffen. Irgendwo, bloß nicht hier oder in Ihrem Haus in der Stadt.«
Sie griff nach seiner Hand. »Ich bin ganz Ihrer Meinung. Ich kenne ein Dutzend Orte in Detroit, wo wir unter Menschen sind und trotzdem allein.«
»Würden Sie das wollen?«
Sie hob ihm ihr schönes Gesicht im Mondlicht entgegen.
»Das würde ich, sehr sogar.«
»Wie kann ich Sie erreichen, ohne daß wir in Schwierigkeiten geraten?«
»Sie könnten schreiben. Niemand kümmert sich um meine Post. Haben Sie Telephon?«
»Nicht dort, wo ich wohne. Die Vermieterin darf in Notfällen das Telephon der Witwe von nebenan benützen. Ich könnte aber aufs Amt gehen.«
»Rufen Sie tagsüber an, wenn Vater in der Stadt ist.«
»Egal wie, ich werde mich melden.«
»Ich hoffe bald. Gute Nacht, Carl.« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und streifte mit ihren Lippen seine Wange. Dann drehte sie sich um und eilte die Straße hinunter.
Carl ging beschwingt in Richtung Schnellbahn. Er dachte längst nicht mehr an den Speichellecker Sykes, auch nicht an die möglichen Folgen des Abschiedskusses, abgesehen von den Freuden, die er verhieß.
17. SCHLECHTE VORZEICHEN
In einem Saloon auf der Ninth Avenue saß der auf den Namen Cuth-bert Mole getaufte Mann an einem Tisch unter gerahmten Photos von Boxern und Rennpferden, aß einen Eintopf und trank sein Bier. Cuthbert Mole war das häßliche Ei, aus dem das Federvieh Hobart Manchester im Alter von achtzehn Jahren geschlüpft war. Damals hatte er die Wahl gehabt, den Namen zu ändern oder ständig verspottet zu werden.
Hobart war ein Einzelkind. Seine Eltern waren Anteilseigner an einer miesen Firma in Warwick, Oxfordshire. Mowbray Mole soff sich zu Tode, als Cuthbert fünfzehn war, drei Jahre später starb seine Mutter. Der junge Cuthbert begrub sie und floh von Oxfordshire nach London, nachdem er sich einen neuen Namen gegeben hatte.
Nach harter Lehrzeit erzielte er ein gewisses Maß an Erfolg und konnte das mit Hypotheken mehrfach belastete Theater in der St. Martin’s Lane kaufen. Vor einem Jahr nun hatten ihn katastrophale Produktionen gezwungen, das Theater wieder abzustoßen. Er verkaufte alles, einschließlich eines kleinen Hauses im Wald von Kent, wo er für Freunde spielte. Mit einem Lederkoffer und einem von seinem Vater geerbten, in Ehren gehaltenen Schminkköfferchen überquerte er den Atlantik in Richtung jenes Landes, in dem so viele andere ihr Glück gefunden hatten.
Jeden Heller, den er aus dem Verkauf am West End hatte retten können, steckte er nun in die Produktion der Schottischen Tragödie. Die Ausgaben würgten ihn, vor allem Gage und Unterbringung von Mrs. Van Sant. Nach einigem Zögern hatte er sie angerufen, Verhinderung wegen Besprechungen mit dem Bühnenbildner vorgetäuscht - das Bühnenbild kam in Wirklichkeit aus einem Lagerhaus. Nachdem er sich eine Tirade wüstester Beschimpfungen angehört hatte, erklärte er sich bereit, seine Hauptdarstellerin ins Hotel Astor
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