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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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mit denen schon etwas zu tun haben?«
    Lorenzo Clymer war daran gelegen, daß er richtig verstanden wurde. »Henry Ford ist ein Abtrünniger. Ein Mann ohne Bildung und Herkunft - ein sturer Bauer mit falschen Zielen. In fünf Jahren wird er weg vom Fenster sein, wenn nicht früher.«
    Diese Männer sind verdammte Snobs, dachte Carl. Kein Wunder, daß Ford die Mischpoke von Grosse Pointe haßte.
    Tess schien sich nicht wohl in ihrer Haut zu fühlen. Clymer, dem das nicht entging, versuchte die hitzige Diskussion zu entschärfen. »Ich mache Ihnen keinen Vorwurf, daß Sie Lohn von ihm beziehen, solange es die Firma noch gibt. Arbeiten Sie gerne dort?«
    »Ich arbeite gern mit Automobilen, nur mit festen Stunden oder Stechuhren hab’ ich’s nicht so.«
    »Tess sagte mir, Sie fahren Rennen.«
    »Ich fahre für Hoot Edmunds.«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, daß man damit seinen Lebensunterhalt verdienen kann.«
    »Außer man ist Barney Oldfield«, sagte Sykes. »Und der verschleudert sein Geld für Alkohol und Kartenspiel und billige Weiber. Hat schon wieder eine Frau. Die zweite.« Er rümpfte die Nase.
    »Ich bin zufrieden, wenn ich tun kann, was mir Spaß macht«, sagte Carl zu Clymer.
    »Crown ist eine große Brauerei, hab’ ich recht?«
    »Die acht- oder neuntgrößte im ganzen Land. Und sie wächst ständig weiter.«
    »Hat Ihr Väter Pläne, Sie einmal in sein Unternehmen einzubinden?«
    »Ich glaube schon. Aber ich nicht.«
    »Ich verstehe.« Lorenzo Clymer warf seiner Tochter einen, wie Carl schien, vielsagenden Blick zu.
    Das Essen schleppte sich dahin. Clymer redete von der Ankunft der amerikanischen Großen Weißen Flotte in Yokohama. Carl entschuldigte sich für seine Unwissenheit; er las nur selten Zeitung. Nach einem nervösen Hüsteln sagte Sykes: »Ach, Lorenzo, ich habe mir auf dem Weg hierher einen Strafzettel eingehandelt, weil ich zu schnell gefahren bin. Ich wollte nicht zu spät zu unserer Verabredung kommen.«
    »Wie schnell bist du gefahren?«
    »Der Polizist meinte, sieben Meilen über der Höchstgeschwindigkeit von fünfzehn Meilen.«
    »Schick mir den Strafzettel, ich kümmere mich darum. Ich bin im Gemeinderat.«
    »Darum habe ich’s gesagt. Ich bin dir wirklich verbunden.«
    Sykes brachte das bevorstehende Bankett der Arbeitgebervereinigung zur Sprache und überließ Carl damit seinem Essen und seinen ungeschickten Versuchen, mit Tess Konversation zu betreiben. Das Gespräch drehte sich inzwischen um die Präsidentschaftswahl. Theodore Roosevelt hatte den republikanischen Kandidaten persönlich zu seinem Nachfolger bestimmt; sowohl Clymer als auch Sykes waren treue Anhänger von Bill Taft, dessen »radikalliberalem Gegenkandidaten Bryan«, so Clymer, er eine sichere Niederlage prophezeite. Er erklärte, daß der schon zum wiederholten Male kandidierende sozialistische Bewerber Debs eine noch schlimmere Bedrohung sei, dem man das Gehorchen beibringen müsse, »am besten mit Teer und Federn«.
    »Nein, erschießen müßte man ihn«, sagte Sykes.
    Carl meinte, er verstehe nicht viel von Politik, aber sein älterer Bruder kenne Gene Debs und halte ihn für einen ehrenwerten Mann, der Veränderungen ohne Gewalt herbeiführen wolle. Sykes sah Carl an, als käme er vom Mond.
    Carl hatte genug. Er bat darum, für den Kaffee, der im Wohnzimmer eingenommen wurde, entschuldigt zu werden, stand auf und wandte sich zum Gehen. Lorenzo Clymer schüttelte ihm die Hand, dankte ihm für seinen Besuch und beteuerte, ihn jederzeit gerne wiederzusehen, was offensichtlich gelogen war. Als Carl mit Tess das Wohnzimmer verließ, war Clymer bereits in seine Detroit Evening News vertieft.
    Wayne Sykes folgte ihnen. Carls Geschenk lag auf einem Marmortisch im Eingangsbereich. »Woher kommt denn das?« erkundigte sich Sykes.
    »Carl hat es mitgebracht«, antwortete Tess. Sykes war kein kompletter Idiot; er sah das Aufleuchten in ihren Augen und reagierte mit heuchlerischem Lächeln.
    »Sehr aufmerksam. Darf ich eine probieren?« Er öffnete die Schachtel und schob sich eine Praline in den Mund. »Nicht schlecht. Ich hab’ noch nie Pralinen aus dem Kaufhaus gegessen.«
    Carls Nacken oberhalb seines Hemdkragens war mit einem Schlag krebsrot. Tess nahm seinen Arm und drängte ihn zur Tür. »Probier ruhig noch mehr, Wayne. Du mußt uns nur inzwischen entschuldigen.«
    Mit schnellen Schritten machten sie sich auf den Weg zum Tor. »Oh, Carl, es tut mir ja so leid. Sie waren beide sehr unfreundlich zu Ihnen.«
    »So

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