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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Gitter kam er nicht. Vielmehr war er drei Stunden später wie durch ein Wunder wieder auf freiem Fuß. Er verließ die Polizeiwache und begab sich schnurstracks in seine Wohnung am Cheyne Walk im Stadtteil Chelsea. Das Hausmädchen Philippa kümmerte sich um die Kinder, den sechsjährigen Joseph Shadow Crown, genannt Shad, und die zweijährige Elizabeth Juliette, genannt Betsy.
    Paul saß neben Julies Bett. Sie döste. Doch sie schlug kurz die Augen auf; ein Ausdruck des Erkennens huschte über ihr Gesicht. »Du mußt nicht glauben, daß ich eine unverbesserliche Närrin bin.«
    Er beugte sich über sie, um ihr einen Kuß auf die nunmehr vom Blut gereinigte Wange zu drücken. »Ich glaube, daß du eine bemerkenswert tapfere Frau bist, die sich mit anderen Frauen zusammengeschlossen hat, um törichte Dinge für eine ehrenwerte Sache zu tun.« Er küßte sie lang und zärtlich auf den Mund und drückte ihre Hand. »Schlaf jetzt!«
    Eine leise Zustimmung murmelnd, ließ sie den Kopf zur Seite sinken und schlief ein.
    Paul staunte immer noch über seine plötzliche Freilassung, als er am nächsten Morgen aus seinem Büro in Cecil Court in das des Besitzers der Zeitung beordert wurde, das in der obersten Etage des Light-Gebäudes in der Fleet Street lag. Ein Sekretär, dessen Gesichtszüge wie eingefroren wirkten, wies ihn in das opulente Gemach, in dem Lord Yorke seine Geschäfte tätigte.
    Der Zeitungszar war ein kleiner, dicker Mann mit spiegelblanker Glatze. Michael Radcliffe, der mit dem einzigen Kind Seiner Lordschaft verheiratet war, beschrieb ihn als einen Mann mit den Augen eines aufgeschreckten Frosches und der Natur einer in die Enge getriebenen Kobra. Seine Lordschaft war alles andere als ein liebenswerter Zeitgenosse, aber er bezahlte gut und kümmerte sich um seine Angestellten mit dem Eifer eines bekehrten Geizhalses. Der Sohn eines Lumpensammlers aus Dublin namens Otto Hartstein hatte mit zweiundzwanzig Jahren sein erstes Provinzblatt gekauft und es zu einem Verlagsimperium ausgebaut.
    »Nun, Sir?« fragte er. Der üppig gepolsterte Thronsessel hinter dem Schreibtisch ließ ihn zwergenhaft erscheinen. »Was haben Sie zu Ihrer Verteidigung vorzubringen?«
    »Ich habe getan, was jeder Mann tun würde, dessen Frau brutal zusammengeschlagen wird.«
    »Aber ihr Gegner war ein Polizist in Ausübung seiner Pflicht.«
    »Ich komme aus Amerika, Euer Lordschaft. Niemand steht über dem Gesetz. Ist das hier anders?«
    Mit einem heiseren Schnauben, das als Lachen herhalten mußte, klatschte Lord Yorke die Hand auf die Armlehne seines Stuhls. »Ce-cilys Mann hat Sie gerettet.« Michael war immer »Cecilys Mann«, und in der Stimme seines Schwiegervaters schwang bei dessen Erwähnung immer Abneigung mit, als spräche er von einem Penner unter einer Brücke.
    »Bevor Ihr Film zu Ende war, haben Sie noch den Polizisten aufgenommen, wie er Ihrer Frau diesen brutalen Schlag versetzte. Wie geht es ihr übrigens?«
    »Sie ist auf dem Weg der Besserung. Der Schreck und die Angst waren schlimmer als die eigentlichen Verletzungen.«
    »Das hört man gern. Wie ich schon sagte, hat Cecilys Mann Ihren Kinematographen in Sicherheit gebracht, bevor die Polizei ihn zu Kleinholz machen konnte. Danach hat er mich angerufen. Und ich wiederum habe die beiden Persönlichkeiten in Whitehall angerufen, die kein Interesse daran haben, daß ein derartiges Vorgehen der Polizei bekannt wird. Natürlich haben wir die betreffende Stelle unverzüglich vernichtet« - angesichts dessen, daß er heil aus dem Schlamassel herausgekommen war, schluckte Paul seinen Protest hinunter -, »aber das bleibt unser Geheimnis. Ich finde, Sie haben Schwein gehabt.«
    »Da bin ich ganz Ihrer Meinung, Sir. Ich danke Ihnen.«
    »Bitte bestellen Sie Ihrer entzückenden Frau meine besten Grüße, und bitten Sie sie, in Zukunft vorsichtiger zu sein. Das gilt auch für Sie. Sie sind ein wertvoller Mitarbeiter, Paul. Versuchen Sie, sich nicht in Gefahr zu begeben. Und auf keinen Fall sollten Sie sich die Obrigkeit, egal ob hier oder wo auch immer, zum Feind machen!«
    »Wenn ich mich danach richte, kriege ich nichts Gescheites in den Kasten.«
    Gereizt erwiderte Lord Yorke: »Das Dilemma des Reporters. Verdammt lästig, wenn Sie mich fragen. Ich wünsche einen guten Tag.«
4. ILSAS SORGEN
    Der kalte Dezemberregen verwandelte die Wells Street buchstäblich in einen See. Nicky Speers manövrierte den langen kastanienbraunen Benz-Tourenwagen vorsichtig durch das Wasser, um

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