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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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aus Manila abgereist, um in San Francisco das große Erdbeben und Feuer zu dokumentieren. Seine Bilder hatten weltweit für Aufsehen und tränenreiche Anteilnahme gesorgt.
    »Außerdem sind diese kleinen Scharmützel nichts im Vergleich zu dem, was uns noch bevorsteht«, sagte Michael.
    Michael Radcliffe war groß und hager und ungefähr zehn Jahre älter als Paul. Er schrieb für den London Light, eine große Zeitung, die seinem Schwiegervater Lord Yorke gehörte, der auch Pauls Chef war. Der unter dem Namen Mikhail Rhukov Geborene war jahrelang als staatenloser und hungernder Freischaffender umhergeirrt und immer wieder unerwartet und unter rätselhaften Umständen in Pauls Leben getreten. Nach einer Affaire mit Cecily Hartstein, der Tochter des Pressezaren, hatte er eine bemerkenswerte Verwandlung durchgemacht: Er ließ sich die Haare schneiden, anglizierte seinen Namen, kaschierte seine alles verneinende Einstellung und heiratete Cecily, die ihn trotz seiner Charakterschwächen liebte.
    Dem Aussehen nach hätten die beiden Männer nicht gegensätzlicher sein können: Von den glänzenden Schuhen bis zu seinem Bowler war Michael ganz und gar Gentleman, während Pauls Kleidung aus einem Kirchenbasar hätte stammen können. Seine Schuhe waren abgetragen, die Cordhosen zerknittert. Sein einreihiger Khakimantel war am Ärmel schwarz verfärbt. Die karierte Golfmütze war mit ihm um die Welt gereist, und genauso sah sie aus. Kaum ein Mensch hätte ihn für das gehalten, was er war - ein Meister seines Faches.
    »Du kannst nicht aufhören, die Kriegstrommel zu schlagen«, sagte er mit einem Seufzer. Michael zuckte die Schultern und warf seine halbgerauchte Zigarette auf die Straße.
    »Ich weise lediglich auf das Unausweichliche hin, Bruderherz.« Paul erinnerte sich an das trunkene Geschwafel seines Freundes in einem Restaurant in Kuba 1898. »Ich habe den Aufbau der Kriegsmaschinerie gesehen, ich habe die Kanonen gesehen. Wir werden es erleben, das Ende der Welt ...« Er schlug mit der Faust auf den Tisch und zitierte aus der Offenbarung des Johannes: »>Und es geschahen Blitze und Stimmen und Donner und Erdbeben und ein großer Hagel ... und die Völker sind zornig geworden . ..<« Michael machte sich lustig über Pauls Träume von einem zufriedenen Leben in einer friedlichen Welt. Er behauptete, sie würden schneller, als man sich vorstellen könnte, auf Alpträume zutreiben.
    Paul steckte seine ungerauchte Zigarre in eine Tasche und vergewisserte sich, daß sein Stativ sicher stand. Über die Kamera hinweg musterte er das Bürogebäude. Ein Dutzend Polizisten vom Revier Richmond Terrace bewachte die Türen. Mit ihren hohen Mützen und ihren Gummiknüppeln verkörperten sie Recht und Ordnung. Einige von Mrs. Pankhursts Frauen - die Daily Mail hatte ihnen den Namen Suffragetten gegeben - waren bereits festgenommen worden und hatten eine kurze Strafe im Holloway-Gefängnis verbüßt, weil sie beispielsweise bei Parteiversammlungen Redner, darunter auch den aufstrebenden Winston Churchill, mit Fragen belästigt hatten. Frauen durften weder ihre Meinung kundtun noch irgendeine politische Rolle spielen. Mrs. Pankhurst hatte geschworen, das zu ändern.
    Die Marschierenden bogen um die Ecke in Richtung Derby Gate. Im bewährten Rhythmus - eins, zwei, drei - eins, zwei, drei - fing Paul an zu kurbeln. Julie sah ihn und winkte. Paul benutzte die freie Hand, um zurückzuwinken.
    Am Victoria Embankment ertönten die Hupen der verärgerten Autofahrer. Männer beugten sich aus ihren Taxis und beschimpften oder bejubelten die Suffragetten, die sich inzwischen in einem Halbkreis vor den Polizisten aufgestellt hatten. Der ranghöchste Polizist, ein schmächtiger Mann mit grauem Schnurrbart und einschüchterndem Gehabe, trat einen Schritt vorwärts auf Mrs. Pankhurst zu.
    »Guten Tag, Madam. Darf ich Sie fragen, warum Sie hier den Verkehr aufhalten?«
    Emmeline Pankhurst hielt ihre Papierrolle hoch. »Wir haben hier Resolutionen, die den Parlamentariern überbracht werden müssen. Treten Sie bitte zur Seite, damit wir mit ihnen sprechen können.« Die meisten Frauen, darunter auch Julie, bekräftigten die Forderung mit lauten Worten. Der Polizist schüttelte den Kopf.
    »Das ist ganz unmöglich, Madam, und das wissen Sie. Weder dürfen Sie das Gebäude betreten, noch dürfen Sie mit den Parlamentsmitgliedern sprechen. Am besten kehren Sie jetzt wieder um, damit die öffentliche Ordnung wiederhergestellt werden kann.«
    »Wir gehen

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