Fremde Federn
noch ’n kleines Geheimnis. Die Typen, die für mich fahren, gewinnen nur dann, wenn ich es anordne.«
Das beantwortete die Frage von vorhin. »Würde mich nicht stören. Ich will nur weg aus Detroit und nur fahren.«
»Wissen Sie überhaupt, worauf Sie sich da einlassen? Ich kann meine Unfälle schon nicht mehr zählen. Jedesmal, wenn Sie ein Rennen fahren, müssen Sie sich darauf gefaßt machen, daß sie mit verbeultem Kopf, amputiertem Bein oder gebrochenem Hals daliegen. Webb Jay hat seinen Whistling Willy letztes Jahr zu Schrott gefahren, er selbst hatte siebenundzwanzig Brüche und eine Gehirnerschütterung. Ob er jemals wieder auf die Beine kommt, ist fraglich. Es ist längst kein Spiel mehr, sondern ein blutiger Sport. Die Zuschauer wollen Autowracks sehen. Am liebsten haben sie es, wenn jemand verletzt wird und stirbt.«
»Ich kenne die Risiken.«
»Tja, wenn Sie dann immer noch nicht die Hosen voll haben vor Angst, müssen Sie dazu geboren sein. Wo arbeiten Sie im Moment?«
»Bei Ford.«
»Familie?«
Er antwortete nicht sofort. »Nein, aber da ...«
Er sprach nicht weiter, weil jemand Barney beim Namen rief. An den Tischen und der Bar drehten sich die Köpfe, um den Mann anzustarren, der in der Mitte des Lokals auf dem mit Sägemehl bedeckten Boden stand. Ein hagerer Mann in einem Anzug, der einem Leichenbestatter alle Ehre gemacht hätte. Der Mann wirkte verstört.
»Barney Oldfield«, bellte der Mann.
Barney lehnte sich an die Bar zurück und stützte sich auf seine Ellbogen auf. Er bedachte den Fremden mit einem jovialen Lächeln. »Sie haben mir was voraus, mein Freund.«
»James Marble, South Bend. Ich beschuldige Sie, am Abend nach Ihrer letzten Vorstellung im Bahnhotel ein Stelldichein mit meiner Frau gehabt zu haben.«
Barney ließ sich die Beschuldigung ungefähr zwei Sekunden lang durch den Kopf gehen, dann winkte er. »Da sind Sie aber ganz schief gewickelt, mein Freund. Wer hat Ihnen denn dieses Märchen erzählt?«
»Meine Frau. Nachdem ich es mit meinem Gürtel aus ihr herausgeprügelt habe.«
Leise, aber doch für alle hörbar, stieß Bess Oldfield hervor: »O mein Gott!«
»Bess, Liebling«, sagte Barney, ohne sie anzuschauen, »der Kerl ist übergeschnappt.«
Der hagere Mann zitterte und schwitzte beängstigend. Die Männer in Carls Nähe rückten etwas ab. Er hörte, wie sich einer der Barkeeper hinter ihm davonmachte. James Marble fuhr mit einer Hand in seine Manteltasche und riß einen entsicherten Revolver heraus.
»Pfoten auf die Bar! Wenn sich jemand bewegt, puste ich ihm das Hirn raus.«
Barney schob zuerst Carl und dann den Mann auf der anderen Seite von sich weg. »Tretet zurück, Jungs. Ich möchte nicht, daß hier jemand verletzt wird wegen der hirnrissigen Märchen eines Besoffenen.« Carl ging an einen der Tische, an dem drei Männer saßen. Er verharrte reglos an den leeren Stuhl gepreßt. Niemand rührte sich außer Marble, den ein ständiges Zittern zu schütteln schien. Unter den blechernen Lampenschirmen schwebten Rauchschwaden.
»Märchen?« wiederholte Marble. »Ihr Ruf ist bekannt! Sie sind ein feiger Wüstling, der sich an die Frauen anderer Männer ranmacht.« Plötzlich schwenkte er seinen geladenen Revolver herum und zielte damit auf Bess. Sie hielt sich die Ohren zu und duckte sich.
»Die Schlampe haben Sie sich ins Bett geholt, noch bevor ...«
»Halten Sie Ihr verdammtes Maul. Bess war eine ehrbare Witwe.«
». bevor Sie sich von Ihrer ersten Frau scheiden ließen. Aber jetzt ist Schluß!«
Barney schwitzte inzwischen nicht weniger als Marble. Er rieb sich mit der linken Hand die Wange, die vor Schweiß glänzte; der wertvolle Diamant an seinem Finger funkelte.
»Marble, lassen Sie uns vernünftig reden! Wir gehen raus und besprechen alles vor der Tür. Ich möchte nicht, daß die Knarre losgeht und Sie versehentlich einen meiner Freunde über den Haufen schießen.«
»Die kommen erst dran, wenn ich mit Ihnen fertig bin«, schrie Marble. Er umklammerte seinen Revolver mit beiden Händen. In dem Augenblick griff sich Carl den leeren Stuhl hinter ihm und schleuderte ihn gegen Marble. Der Stuhl traf Marble an den Knien und brachte ihn ins Wanken. Barney hechtete zu Boden. Marbles Revolver ging los, aber die Kugel traf einen blechernen Lampenschirm und prallte daran ab.
Jetzt stürzten sich die Männer aus Barneys Team auf den schwankenden Mann, rissen ihm den Revolver aus der Hand, warfen ihn zu Boden und schlugen mit Händen und Füßen
Weitere Kostenlose Bücher