Fremde Gäste
ahnen, welchen Anblick sie bot. Man
erhob sich gerade von der Tafel, und bis zu ihrem Stuhl waren es nur drei
Schritte — es hätte also schlimmer sein können. Aber ich schritt mit ungeheurer
Geistesgegenwart und Ritterlichkeit ein — und dafür werde ich nun gescholten .«
»Was haben Sie denn getan? Eine
entsetzliche Geschichte!«
»Kein Grund zur Aufregung. Nur
einige wenige haben was gemerkt. Ich sprang rasch auf und lief zu ihr hinüber.
Ich tat, als ob ich gestolpert wäre und mein Bier über ihr Kleid gegossen
hätte. Große Entschuldigung und viel Trara. Dann zog ich wie der Blitz meine
Jacke aus, bedeckte damit Larrys Blößen und brachte sie schleunigst zurück zum
Wagen. Das war nun das Ende von Larrys großem Auftritt beim Festmahl. Zum Glück
hat der brave Sam nichts bemerkt .«
Nun mußte ich aber doch auch
lachen. »Das war wirklich clever von Ihnen, David !«
»Überhaupt nicht !« protestierte Larry. »Das alles wäre nicht passiert, wenn
er mich nicht die ganze Zeit so neugierig angestarrt hätte. Kein Wunder, daß
ich ganz verdreht war!«
»Das ist ein sehr milder
Ausdruck. Ihr schwerhöriger Freund wollte noch nach ihr sehen und war sehr
beunruhigt wegen der Maus in ihrem Auto. >Bei dem Verkehr ist so etwas
lebensgefährlich !< «
Und nun fingen die beiden
wieder an zu lachen.
Plötzlich jedoch wurde Larry
ernst. »Weißt du, ich glaube, ich bin für solche feierlichen Gelegenheiten
nicht geeignet. Ich werde Sam bitten, diesen Ausschüssen in Zukunft nicht mehr
beizutreten .«
Nach Sams Gesichtsausdruck bei
dem Bericht dieser Geschichte zu urteilen, war das als sicher anzunehmen.
Nachdem ich mich von Larrys
»Offiziellem Dinner« etwas erholt hatte, fiel der Gedanke an die Hochzeit mir
noch schwerer auf die Seele. Es waren nur noch sieben Wochen bis dahin. Den
Garten hatte ich sehr schön gerichtet, aber im Haus blieb noch eine Menge zu
tun: Der Anstrich der Türen und die Tapeten zogen meine Aufmerksamkeit auf sich
und verfolgten mich bis in die Nachtstunden. In einer Nacht konnte ich überhaupt
nicht schlafen; ich schämte mich bei dem Gedanken, wie unfreundlich ich
tagsüber zu jedermann gewesen war, besonders gegen Paul. So ist es eben bei
einer zärtlich liebenden Ehefrau, wenn alles schiefgeht. Aber auch Tony hatte
ich angefaucht und gar wohl bemerkt, wie besorgt und gekränkt sie mich ansah.
Ich fand mich selbst unausstehlich und gab die Hoffnung auf, doch noch
einzuschlafen. Ich zog meinen Schlafrock an und beschloß, das müsse nun anders
werden, auch wenn ich einen Teil meiner Aufgaben nicht würde erfüllen können.
Das war immer noch besser, als ein böses Weib zu sein.
Am Küchentisch dicht neben der
Heizung ließ ich mich mit einer Tasse Kaffee und ein paar Aspirin nieder. Ich
holte die Liste mit den Arbeiten hervor, die noch vor der Hochzeit zu erledigen
waren. Ich kam zu dem Schluß, daß ich wohl die Grippe bekäme und überhaupt
nichts mehr machen könnte. Ich betrachtete die endlose Gästeliste, und eine
dicke Träne rollte an meiner Nase herunter- eine Träne tiefsten Mitleids mit
mir selbst. Da ging die Tür auf, und Tony trat ein. »Susan, was machst du denn hier? Ich bin aufgewacht und war durstig. Gibst du mir einen Schluck von
deinem Kaffee? Was sind denn das für Listen? Nein, steck sie nicht weg. Laß
doch mal sehen... Ach, das ist ja schrecklich! Wie konnten wir denn nur so
viele Leute einladen? Kein Wunder, daß du dich aufregst und manchmal ein
bißchen gereizt bist, du Ärmste!«
Sie war auch den Tränen nahe
und hätte beinah richtig geweint; aber ich lachte gleich und sagte: »Natürlich
werde ich kaum die Hälfte von alledem ausführen können, vielleicht sagen aber
auch viele Leute ab. Mach dir keine Sorgen, Tony, es wird bestimmt ein
Riesenspaß werden !« Und dann plauderten und lachten
wir miteinander und tranken unseren Kaffee.
Während des ganzen Wochenendes
sprachen wir nicht mehr von diesen nächtlichen Stunden. Wenn die Hochzeit
erwähnt wurde, schien Tony alles Interesse verloren zu haben. Ich hoffte
inständig, sie wisse nicht, welche Prüfung die Feier für mich bedeutete. Ich
wollte ihr keinesfalls die Freude verderben! Den ganzen Sonntag über kam sie
mir ungewöhnlich nachdenklich vor. Als sie am Montagmorgen zu ihrem Supermarkt
fuhr, sagte sie, sie werde Mitte der Woche für eine Nacht heimkommen, um
einiges zu erledigen.
Offenbar wollte sie diese geheimnisvollen
Dinge mit Peter besprechen, denn dieser kam am nächsten Morgen auf
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