Fremde Gäste
»richtige«
Hochzeit auszurichten. Sie dachte nur daran, wie sie mir Mühe und Arbeit
ersparen konnte.
Und das hatte sie erreicht; ich
schlief wieder besser. Nur in der ersten Nacht, nachdem sie uns von ihren neuen
Plänen berichtet hatte, weinte ich zu Pauls Bestürzung im Schlaf. Dann aber
sandte ich ein Dankgebet zum Himmel, nahm mich zusammen und machte mich an die
zu dieser Jahreszeit fällige Routinearbeit mit Kälbern und Lämmern. Die waren
entschieden nicht so wechselhaft wie Tony.
Eine Woche später nahm die
Heimkehr von Jock Mackey und seiner neuen Frau uns ganz in Anspruch. Wir hatten auf Jocks Urteil vertraut und — wie sich zeigen sollte — mit Recht. Ich schätzte Jean auf
etwa dreißig Jahre; eine kleine, rührige Person, die nicht gerade hübsch, aber,
wie Paul sagte, recht anziehend war. Sie war verständig, stand mit beiden Füßen
auf der Erde und war sofort bereit, aus der Hütte das beste zu machen, während
ihr Fertighaus aufgestellt wurde. Zu Tony faßte sie gleich Zutrauen und
erzählte ihr, daß es nicht die große Liebe auf den ersten Blick gewesen sei.
Sie und Jock hatten einander schon vor seiner Auswanderung gekannt, aber damals
habe er halt »den Mund nicht aufgetan«. So hatte Jean versucht, ihn zu
vergessen. Das war ihr nicht gelungen. Das Wiedersehen hatte alsbald dazu
geführt, daß Jock nun wohl »den Mund aufmachte« und sich deutlich aussprach.
Sie war bereit, in ihrer neuen Heimat alles anzuerkennen, und gehörte zu dem
Typ der Einwanderer, der hier stets willkommen ist. Ja, sie wollte gern an zwei
oder drei Vormittagen pro Woche in dem »großen Haus« nach dem Rechten sehen,
damit die junge Lady Zeit für die Beschäftigungen hatte, die ihr Spaß machten . So konnte sie sich etwas nebenher verdienen; Jean
hatte schon immer Hausarbeit gemacht und wollte ihren Jock nicht um jeden
Pfennig bitten müssen. Uns war, als habe sich ein schöner Traum verwirklicht,
und wir konnten uns nur gratulieren.
Als wir uns später über die
Pläne für das kommende große Fest unterhielten, fragte Tony: »Fändest du es komisch,
wenn ich Mrs. Hepburn auch eine Einladung schickte? Ich hätte sie gern an
diesem Tag dabeigehabt. Sie hätte so auch Gelegenheit, David zu sehen. Ich
weiß, eigentlich sollte ich nicht einmal dir etwas von der Post erzählen; aber
sie schreibt ihm jede Woche, und er antwortet höchstens einmal im Monat, und
nach dem Gewicht des Briefes zu urteilen, nur sehr kurz. Tantchen hat sie auf
ein paar Tage eingeladen, damit sie David sehen kann. Aber sie wollte lieber
nicht kommen, denn in seiner jetzigen Gemütsverfassung könnte er glauben, sie
wolle ihn überwachen. Das wäre ihm bestimmt unerträglich .«
»Der dumme Junge! Ich weiß
schon: >Ich will mein eigenes Leben leben . Die
anderen kümmern mich nicht, am wenigsten meine Familie .< «
»Wenn ich sie aber einlade,
kann er nichts dagegen haben. Ich werde ihm sagen, daß ich sie einlade, weil
ich sie gut leiden mag und weil sie Tantchens Cousine ist. Dann wird er sich
bestimmt anständig benehmen .«
»Ja, das sollte er wirklich!
Erzähl’ mir später, wie es ausgegangen ist.«
Wie sie dann berichtete, hatte
David die Einladung zwar betont gleichgültig, jedoch widerspruchslos vernommen.
»Er meinte, es wäre wohl ganz nett für seine Mutter, ihre längst verlorene
Cousine und ihren kürzlich verlorenen Sohn wiederzusehen. Für seine Verhältnisse
war er noch ganz liebenswürdig .«
So wurde also eine formelle
Einladung zugleich mit einigen kurzen Zeilen von Tantchen abgeschickt. Mrs.
Hepburn nahm mit Vergnügen an. Auch ihr Mann wäre gern gekommen, schrieb sie,
könne jedoch beruflich nicht abkommen. Sie richtete eine nette, sehr
persönliche Karte an Tony und einen längeren Brief an Tantchen. Sie war gewiß
froh um jeden Vorwand für ein Wiedersehen mit ihrem eigensinnigen Sohn. Es war
aber doch lächerlich, daß man dafür einen Vorwand brauchte.
Hier stockte ich und murmelte
seufzend: »In zehn Jahren wird es anders sein .« Dann
verdrängte ich diese Angelegenheit aus meinen Gedanken. Es gab noch anderes zu
überlegen als die Probleme der Familie Hepburn.
Zuerst kam die Hochzeit, genau
drei Wochen nachdem Tony ihren Entschluß gefaßt hatte. Es war eine
stimmungsvolle Trauung, die vielleicht gerade dadurch gewann, daß nur die vier
Menschen zugegen waren, die dem Brautpaar wirklich innig verbunden waren. Einer
solchen Hochzeit hatte ich noch nie beigewohnt. Ein einziges Mal war ich gegen
meinen
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