Fremden Kind
geschahen mehrere Dinge, was an sich nicht ungewöhnlich war, aber dennoch beunruhigend, weil es immer so weiterging. Sehr früh kam die Nachricht, Mr Stokes reise ab und ihre Ladyschaft wünsche, die Kinder mögen nach unten kommen. Corinna übte bereits Klavier, und das Hausmädchen brachte Wilfrid allein. Er ging widerwillig mit, fühlte sich einsam und blickte meist mürrisch, alles andere wäre ein Zugeständnis gewesen. In der Halle stand noch immer das Pianola, schräg an die Wand gerückt, der Deckel zugeklappt. Er liebte das Pianola; ein paarmal hatte sein Vater für ihn die Pedale betätigt, und er durfte die Hände über die tanzenden Tasten gleiten lassen, während Corinna verächtlich zuschaute. Jetzt stand es nur mehr wie eine misstönende Erinnerung an den gestrigen Abend da, ein Spielzeug, mit dem sich andere vergnügt hatten, ohne ihn. Wenn sie es doch nur wegräumen würden! Er ging nach draußen, den Daimler bestaunen. Selbst Robbies Augenzwinkern, als er Onkel Sebbys Gepäck brachte, missfiel ihm und zeugte von mangeln dem Respekt. Warum musste er ihm ständig zuzwinkern? »Wie geht es uns heute Morgen, Master Wilfrid?«
»Ich bin sehr abgespannt«, sagte Wilfrid.
Robbie sinnierte schmunzelnd darüber nach. »Abgespannt? Wie kommt’s?« Er übergab Sebbys Chauffeur das Gepäck, und Wilfrid ging nach hinten und sah zu, wie es im Kofferraum verstaut wurde. Sein Interesse an diesem Kofferraum mit seiner merkwürdigen Klappe und dem schwarzen grubenartigen Inneren kämpfte umsonst gegen seine Unzufriedenheit an.
»Ich habe eine schlimme Nacht hinter mir, wenn Sie es unbedingt wissen wollen«, sagte Wilfrid.
»Ach so.« Robbie nickte mitfühlend, noch immer mit einem irritierenden Anflug von Ironie. »Die Musik und die Tanzerei haben Sie wohl nicht schlafen lassen, was?« Wilfrid sah ihn nur an und nickte.
Granny V kam nach unten, um sich von Sebby zu verabschieden. Sie unterhielten sich noch eine Weile, während Wilfrid um den Daimler herumging, sich die Scheinwerfer ansah und sein Spiegelbild, das in der dunkelgrauen Karosserie gequetscht und gedehnt wurde. Dann kam Sebby herüber, schüttelte ihm die Hand und steckte ihm unerwartet eine große Münze zu, bevor er in den Wagen stieg, der in die Einfahrt bog und sich in einer Wolke aus blauem öligem Dunst entfernte. Wilfrid lächelte dem Wagen hinterher, dann lächelte er seiner Großmutter zu, die gebieterisch abwartete, ob er auch angemessen reagierte; in Wahrheit war er verärgert und leicht empört. »Donnerwetter!«, sagte Granny V in einem hämischen und zugleich kritischen Ton, »eine Krone!« Er steckte sie in die Hosentasche, aber hatte das Gefühl, dass sie eigentlich Wilkes zustand.
Danach wurde umgehend das Pferdefuhrwerk geholt, das Corinna und ihre beiden Großmütter zur Kirche nach Littlemore bringen sollte. Lady Valance persönlich würde den Wagen die anderthalb Meilen hin und zurück lenken, doch Corinna erinnerte sie quengelnd an ein zuvor abgerungenes Versprechen, sie dürfe unterwegs auch mal eine Zeit lang die Zügel halten. Durch die geöffnete Haustür waren das Pony, das an seinem Geschirr zupfte, und die beruhigenden Worte des Stallburschen zu hören. In der Halle ein Wedeln mit Handschuhen und Hüten, gesucht und gefunden; Granny V, die immer dasselbe trug, schwarz, was wenig Zeit benötigte; nur Corinna hatte ein neues Kleid und ein neues Häubchen, das ihr Granny Sawle festzubinden half.
»Eigentlich jammerschade, dass wir die Kapelle hier im Haus nicht nutzen«, sagte Granny S, als George und Tante Madeleine erschienen.
»Heutzutage«, stellte Granny V mit Nachdruck fest, »ist die Benutzung der Kapelle nur auf die hohen Feiertage beschränkt«, und trat hinaus auf die Einfahrt.
»Heutzutage«, sagte George, »scheint Louisas liebstes Schimpfwort zu sein.« Er sah seine Mutter ironisch an. »Du musst nicht unbedingt mitgehen, Darling«, sagte er. »Wir gehen auch nie in die Kirche.«
Freda war noch immer mit der Schleife unter Corinnas Kinn beschäftigt. »Louisa scheint fest mit mir zu rechnen.«
»Na gut, aber du musst dich nicht herumkommandieren lassen«, sagte George.
»Oh, bitte, Granny, komm mit!«, sagte Corinna.
»Natürlich komm ich mit, mein Kind. Keine Bange«, sagte ihre Großmutter, schob sie ein Stück von sich weg und musterte sie streng.
Wilfrid schlenderte mit seinem Onkel und seiner Tante wieder nach draußen, um die beiden Damen und seine Schwester zu verabschieden. Als Granny V auf
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