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Fremden Kind

Fremden Kind

Titel: Fremden Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Hollinghurst
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sagte George. »Das ist natürlich das Wichtigste.«
    Wilfrid war nicht ganz einverstanden damit. »Er schreibt ein Buch über den Krieg.«
    »Also nicht wieder so ein Buch wie das andere«, sagte Made leine, die mit offenem Mund und in den Nacken gelegtem Kopf, wobei ihr Glas ihre Nasenspitze berührte, die Regale über sich inspizierte.
    »Überhaupt nicht«, sagte Wilfrid. »Es ist ein Buch über Sergeant Bronson.«
    »Ach ja«, sagte George beiläufig. »Er erzählt dir also davon. Das ist doch bestimmt spannend …«
    In diesem mit uraltem Wissen angereicherten Raum waren die Zwänge der reinen Wahrheit bedrohlicher zu spüren. Wilfrid ging zum Tisch in der Mitte, lächelte und behielt die Antwort für sich. »Onkel George«, sagte er, »gefallen dir Onkel Revels Bilder?«
    »Oh ja, sehr. Allerdings habe ich noch nicht viel von ihm gesehen. Er ist sehr jung, musst du wissen«, sagte George, der nicht mehr ganz so grün im Gesicht war, eher rosa. »Du weißt, dass er kein richtiger Onkel ist, nicht?«
    »Ja, ich weiß«, sagte Wilfrid. »Er ist ein ehrenwerter Onkel.«
    »Haha! So kann man es auch nennen.«
    »Du meinst, ein Onkel ehrenhalber «, sagte Madeleine.
    »Oh«, sagte Wilfrid, »ja …«
    »Bestimmt meinst du beides, was, Wilfie?«, sagte George und lächelte verständnisvoll. Wilfrid wusste, dass sein Vater Tante Madeleine nicht ausstehen konnte, was ihm die Berech tigung gab, sie ebenfalls zu hassen. Sie hatte ihm kein Geschenk mitgebracht, aber das war gar nicht mal die Hauptsache. Nie sagte sie irgendetwas Nettes, und wenn sie es versuchte, kam nur Schreckliches dabei heraus. Jetzt legte sie das Kinn auf die Brust, setzte ihr scheinheiliges Lächeln auf und glotzte ihn über den Brillenrand an. Er lehnte sich an den Tisch, öffnete und schloss den Deckel des silbernen Tintenglases, was ein hübsches klapperndes Geräusch ergab. Tante Madeleine zuckte zusammen.
    »Das ist sicher der Tisch, an dem Granny ihre Buchtests macht«, sagte sie naserümpfend, und ihr Lächeln wurde noch steifer.
    »Das Kind weiß doch gar nicht, was das ist«, sagte Onkel George leise.
    »Ich lerne gerade lesen mit Nanny«, sagte Wilfrid. Er ließ vom Tisch ab und ging in eine Ecke des Zimmers, wo sich ein Schränkchen mit interessanten alten Dingen befand.
    »Prima«, sagte George. »Und was liest du? Sollen wir zusammen ein Buch lesen?« Wilfrid hörte die dankbare Erleichterung über diese Idee mit dem Buch heraus, und schon hatte sich sein Onkel in einem der rutschigen Ledersessel niedergelassen.
    »Corinna liest Das Silbertablett «, sagte er.
    »Bist du dafür nicht noch zu klein?«, fragte Madeleine.
    »Es ist ein Kinderbuch«, sagte George. »Daphne hat es geliebt.«
    »Ich lese es nicht«, erklärte Wilfrid. »Und eigentlich will ich jetzt auch nicht lesen, Onkel George. Hast du schon mal diese Kartenmaschine gesehen?« Er öffnete den Schrank, und sehr vorsichtig holte er die Maschine heraus, stieß dennoch damit gegen die Tür. Er trug sie durchs Zimmer und übergab sie seinem Onkel, der ein etwas abwesendes Lächeln aufgesetzt hatte.
    »Aha … ja … prima …« Onkel George stellte sich wenig geschickt in der Handhabung an, hielt das Gerät sogar falsch herum. »Wohl ein historisches Objekt«, sagte er und war drauf und dran, es Wilfrid zurückzugeben.
    »Was ist das?«, fragte Madeleine und trat zu ihnen. »Ach so, ja. Historisch, allerdings. Ziemlich nutzlos, fürchte ich.«
    »Ich mag sie«, sagte Wilfrid, und es kam ihm ein neuer Gedanke, als er das Knie seines Onkels sah, als seine Tante sich vorbeugte, als er ihren Geruch wahrnahm, nach alten Büchern. »Onkel George«, sagte er, »warum habt ihr keine Kinder?«
    »Ach, weißt du, Schatz«, antwortete Onkel George, »wir sind einfach noch nicht dazugekommen.« Mit neu entfachtem Interesse betrachtete er die Maschine, fuhr dann aber fort: »Wie du weißt, sind deine Tante und ich sehr mit unserer Arbeit an der Universität beschäftigt. Und wenn ich ganz ehrlich zu dir sein soll: Wir haben nicht sehr viel Geld.«
    »Es gibt auch viele arme Leute mit kleinen Kindern«, sagte Wilfrid freiheraus. Er wusste, dass sein Onkel Unsinn redete.
    »Ja, aber wir wollen, dass unsere kleinen Jungen und Mädchen in Wohlstand aufwachsen und die schönen Dinge im Leben genießen, die zum Beispiel du und deine Schwester auch habt.«
    Madeleine mischte sich ein. »Denk daran, George, dass du noch die Anmerkungen für den Vizekanzler fertigstellen musst.«
    »Ich weiß, meine

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