Fremden Kind
in seinem Fruit Cup trieb ihn lachend zu dem heruntergekurbelten Fenster.
»Oh, hallo«, sagte Peter Rowe. »Sie sind das!«
»Hallo!«, sagte Paul und blickte in Peters Gesicht, das ihm heute nichtssagender, gleichzeitig liebenswerter erschien, als er es in Erinnerung hatte, und seine Vorstellung von dem weiteren Verlauf des Abends geriet in Bewegung, wie ein Bühnenbild. Dem Auto entströmte ein berauschender Geruch nach Öl und heißem Plastik. Auf dem Beifahrersitz lag ein Stapel Musiknoten. »W. A. Mozart«, las er, »Duetti.« Er fühlte sich wunderlich. »Sie sind nicht gebrechlich oder schon fortgeschrittenen Alters, oder?«
»Keineswegs«, tat Peter Rowe entrüstet und lächelte verschmitzt.
»Dann müssen Sie leider drüben auf dem Feld parken.« Paul schaute weiter grinsend durchs Fenster in den Wagen, ohne sich darüber im Klaren zu sein, was er als Nächstes sagen sollte.
Peter Rowe stieß den Schaltknüppel mit Wucht in den ersten Gang. »Na dann bis gleich«, sagte er. »So ein lustiger Zufall!« Paul spürte die heiße Karosserie davongleiten unter seinen Fingern, die eine lange Spur auf dem staubigen Dach hinterließen. »Passen Sie auf, wo Sie hintreten«, rief er ihm noch hinterher, das spuckende Husten des Motors übertönend, der bei einem Hillman Imp aus irgendeinem Grund hinten war, wo eigentlich der Kofferraum sein sollte. Er sah, wie sich der Wagen durch das Gatter aufs Feld schob, während die stinkenden Auspuffgase süßlich in den milden Grasduft sanken.
»Kennen Sie Peter Rowe?«, sagte Jenny.
»Ja, wir sind uns schon mal begegnet«, antwortete Paul, der sich merkwürdig gestärkt fühlte und deswegen beruhigt sagen konnte: »Ich wusste nicht, dass er heute Abend auch hier ist, aber – das ist toll.«
»Er wird ein paar Duette mit Tante Corinna spielen, es soll eine Überraschung für Granny sein.«
»Ach so«, sagte Paul. Was sollte daran überraschend sein, fragte er sich, aber er war ja auch nicht musikalisch. Musik hatte für ihn immer etwas Theatralisches an sich. Trotzdem, er stellte sich die Szene vor, wie er Peter beobachtete, bewundernd, besitzergreifend, und ihm sein Selbstvertrauen und Talent sogar ein bisschen übel nahm. Als Beitrag zu einem Fest schlug das jedenfalls seine Aufgabe, den Leuten zu sagen, wo sie parken sollen, um Längen.
»Woher kennen Sie ihn?«, fragte Jenny mit boshafter Miene.
»Er führt ein Konto bei uns. Ich habe seine Schecks eingelöst.« Paul war die Farblosigkeit in Person, nur eine Spur pink.
Jenny blickte sich um zu Peter, der jetzt die Straße überquerte und die Einfahrt durch das andere Tor betrat, die Musiknoten unterm Arm – er schwenkte sie zum Gruß in ihre Richtung, gut gelaunt, doch auf einmal nicht mehr ganz so entspannt. Wahrscheinlich musste er sich noch vorbereiten oder üben. Paul beobachtete ihn während dieser wenigen Sekunden verhalten lächelnd, mit einem Ausdruck ungetrübten Interesses, wie er hoffte – sah den forschen, schweren Schritt, den er meinte, bereits zu kennen. »Er unterrichtet auch auf Corley Court«, sagte Jenny, und mit gesenkter Stimme: »Bei uns heißt er nur Peter-Rowe-mein-Schätzchen.«
»Ach ja?«, sagte Paul und sah Jenny auf einmal mit kritischeren Augen.
Sie musterte ihn wieder mit ihrem putzigen Blick. »Er ist sehr von sich eingenommen«, warf sie ihm hin, und es hörte sich an, als würde sie jemanden zitieren, vermutlich Tante Corinna.
Als die Schatten anfingen zu wandern und länger zu wer den und die Kirchturmuhr erst acht, dann Viertel nach schlug, trübte sich Pauls aufgekratzte Stimmung. Zwischendurch, während er weiter Autos einwies, leerte er langsam sein Glas; die Wiederholung der immer gleichen Worte trocknete seinen Mund aus, und die leichte Beschwipstheit wich einer unerquicklichen Ungeduld. Jenny war ins Haus gegangen, um nach Julian zu schauen, war aber nicht zurückgekommen – verständlich, eigentlich waren sie ja noch Kinder, obwohl Jenny Paul behandelte, als wäre er der Jüngere. Roger kam heraus, schnüffelte die Straßenbankette entlang und pinkelte konzise an vier verschiedene Stellen, gab aber sonst keine weiteren Zeichen der Verbundenheit. Die Zahl der eintreffenden Autos nahm ab, der gefürchtete Mr Dudley würde wohl doch nicht mehr erscheinen – bis jetzt hatte Paul nur einem einzigen kleinen Auto, praktisch einem Invalidenfahrzeug, gestattet, in der Einfahrt vorm Haus zu parken. Er dachte an Peters Lächeln, das leichte Pochen in seiner Stim me, als er
Weitere Kostenlose Bücher