Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fremden Kind

Fremden Kind

Titel: Fremden Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Hollinghurst
Vom Netzwerk:
besorgt.
    PB:Sie meinen, sie hat den Alkohol für sie gekauft.
    JT:Ich glaube, es war Bombay-Gin, ja, jetzt fällt es mir wieder ein.
    Er hatte Jonah auch gefragt, ob er in letzter Zeit mal an dem Haus vorbeigekommen sei. »Ach, ich war seit Jahren nicht mehr da«, lautete die Antwort, als sei es eine sehr weite Reise dorthin. In Wahrheit konnten es höchstens drei Kilometer sein. Jonahs Emotionslosigkeit gegenüber dem Haus und der Familie schloss auch Cecil mit ein.
    PB:Sie wussten vermutlich, dass er ein berühmter Dichter war.
    JT:Ja, das wussten wir.
    PB:Er hat dort eines seiner berühmtesten Gedichte geschrieben, wie Ihnen sicher nicht entgangen ist.
    JT:Ach, ja?
    PB:Es heißt »Two Acres«.
    JT: (unsicher) Ah ja, davon habe ich schon mal gehört.
    PB:Können Sie sich noch an seine Ankunft erinnern?
    JT: ( zögert) Oh, er war ein (undeutlich: Gentleman?) , und was für einer! (Paul spulte noch mal zurück, um die Richtigkeit seiner Erinnerung zu bestätigen, dass das Wort, das in Husten und Papierrascheln untergegangen war, »Teufel« lautete.)
    PB:Wirklich? In welcher Beziehung? Was war er für ein Mensch?
    Damit war Paul, höchst effektvoll, an der Frage aller Fragen angelangt, doch anscheinend konnte sich Jonah an so gut wie nichts im Zusammenhang mit Cecils Besuchen auf Two Acres erinnern. Für einen Moment hatte es ganz vielversprechend ausgesehen, doch unter Pauls Befragung löste sich dieser Moment in Wohlgefallen auf. Übrig, und mit kompensatorischer Gewissheit vorgebracht, blieb erstens, dass Cecil »das reinste Grauen!« gewesen sei, was anscheinend nur so viel wie »sehr unordentlich« bedeutete. Zweitens, dass er Unterwäsche aus Seide getragen habe, sehr teuer. (»Hmm. War das ungewöhnlich?« – »Ich hatte so etwas vorher noch nie gesehen. Wie Damenunterwäsche. Das werde ich nie vergessen.«) Und drittens, dass er sehr großzügig gewesen sei; er hatte Jonah eine Guinea Trinkgeld gegeben, und »als er das zweite Mal kam, zwei Guineas«, eine ungeheure Summe, wenn man bedachte, dass Jonah von Freda Sawle zwölf Pfund im Jahr bekam, plus Verpflegung.
    PB: Sie müssen wirklich etwas (unverständlich) für ihn getan haben.
    JT:Gar nichts habe ich getan!
    PB:Ich weiß eigentlich nicht genau, was man als Kammerdiener so macht.
    JT:Ich war kein persönlicher Kammerdiener, nicht bei den Sawles. Die kannten so etwas gar nicht. »Tu einfach so, als ob«, hat der junge George zu mir gesagt, das weiß ich noch. »Tu, was er von dir verlangt.«
    PB:Und was hat er von Ihnen verlangt?
    JT:Daran kann ich mich nicht mehr richtig erinnern.
    PB: (lacht) Sie müssen sich ja prima mit ihm verstanden haben!
    JT: ( unverständlich) … irgend so etwas.
    PB:Aber beim zweiten Mal war es anders?
    JT:Dessen entsinne ich mich nicht mehr.
    PB:Keine besonderen –
    JT: (ungeduldig) Das ist beinahe siebzig Jahre her, verdammt lang!
    PB:Ich weiß. Entschuldigen Sie! Ich meine, haben Sie beim zweiten Mal irgendetwas Besonderes für ihn gemacht, um doppelt so viel Trinkgeld zu bekommen? – Entschuldigen Sie, das war unhöflich.
    JT: (Pause) Ich würde sagen, ich habe mich besonders darüber gefreut.
    Paul hatte hier unterbrochen, um die Kassette umzudrehen, und in der kurzen Pause, während Jonah sein Gewicht auf die neue Hüfte verlagerte und sein Kissen zurechtzupfte, gewann er den Eindruck, dass er den alten Mann aus dem Konzept gebracht hatte. Unsicher wie ein Anfänger überlegte er, ob er aufhören oder eher nachhaken sollte.
    PB:Ich habe mich gerade gefragt, ob Sie sich an irgendetwas erinnern, was Cecil gesagt hat.
    JT: (Pause; lacht angespannt) Ich weiß nur noch, dass er gesagt hat, er sei ein Ungläubiger. Er wollte sonntags nicht mit den anderen zur Kirche gehen.
    PB:Also ein Heide …?
    JT: Ja, genau. Er sagte: »Kann ich nur empfehlen, Jonah. Man kann tun, was man will, ohne dass man hinter her ein schlechtes Gewissen haben muss.« Das hat mich umgehauen! Ich habe nur gesagt, wenn man in Diensten steht, komme das nicht so gut an!
    PB: (lacht) Noch etwas?
    JT:Nur das. Ich weiß noch, dass er sich gerne reden hörte. Seine eigene Stimme. An mehr kann ich mich nicht erinnern.
    PB:Wie war seine Stimme?
    JT: Oh, sehr (unverständlich) . Wie ein richtiger Gentle man.
    Kurz danach, er war nervös, seine Kehle trocken, hatte Paul um ein Glas Wasser gebeten. Er fand es etwas unhöflich, dass man ihm nichts angeboten hatte, nicht mal Tee; andererseits war er um 14 Uhr 30 gekommen, zwischen den Mahlzeiten. Seine Gastgeber

Weitere Kostenlose Bücher