Fremden Kind
Bürotreibens an diesem Thema festgebissen hatten.
»Um ganz offen zu sein«, sagte Robin, griff jetzt nach seinen Zigaretten und spannte Paul auf die Folter, während er sich eine anzündete, inhalierte und sein Gegenüber durch den blauen Dunst über den Rand seiner Brille fixierte, »ich glaube, Daphne war ziemlich pikiert über Ihre Besprechung ihres Buches im New Statesman .« Er schlug jetzt einen etwas strengen Ton an. »Sie fand, dass Sie sie ganz schön heruntergeputzt haben.«
»Oh, nein!«, entfuhr es Paul schuldbewusst, wenn auch ein gewisser prickelnder Stolz auf seine Scharfsinnigkeit das Gefühl, sich taktlos und ungeschickt verhalten zu haben, etwas schmälerte. »Ich habe ihr gesagt, dass der Artikel stark gekürzt wurde.«
»Sicher.«
»Sie haben mir viele freundliche Bemerkungen herausgestrichen.« Er sah sie wieder in dem Taxi nach Paddington vor sich und hörte sie sagen, einige Kritiker hätten ziemlich herumgestänkert. Dass sie seine nicht gelesen haben wollte, erschien ihm jetzt eher als Ausdruck einer vornehmen wie vernichtenden Etikette. Es war ihr gelungen, ihm einen Vorwurf zu machen und ihn gleichzeitig zu entschuldigen. »Gedacht war der Artikel eigentlich als eine Art Fanbrief.«
»So scheint er bei ihr nicht angekommen zu sein«, sagte Robin. »Aber Sie waren bei Weitem nicht der Schlimmste.«
»Allerdings.« (»Armselige Hirngespinste einer verschmäh ten Ehefrau«, hatte Derek Messenger in der Sunday Times geurteilt.)
Robin trank seinen Kaffee und zog an seiner Zigarette, als wollte er sein Bedauern dosieren und Möglichkeiten sondieren. Er befand sich eindeutig in seinem Element, und Paul sah es als Glücksfall, dass er ihn kennengelernt hatte; mit ihm an seiner Seite würde er vielleicht auch an Daphne herankommen. »Ich muss sagen, ich habe das Buch mit Genuss gelesen«, gestand Robin wieder mit einem freimütigen Nicken.
»Ich auch, so ist es nicht. Es gab nur einige Sachen, über die ich gerne mehr erfahren hätte …« Paul lachte ihn beinahe verschmitzt an, doch erkundigte sich zunächst ganz harmlos: »Zum Beispiel weiß ich überhaupt nicht, wer Basil Jacobs war.«
»Oh, Basil.« Robin reagierte ungeduldig auf die harmlose Frage. »Basil war auf jeden Fall noch der netteste ihrer Ehemänner, obwohl in mancher Hinsicht genauso … hoffnungslos wie die anderen auch.«
»Oje! War Revel Ralph auch ein hoffnungsloser Fall?«
Robin zog an seiner Zigarette, als müsste er sich an etwas festhalten. »Revel war vollkommen unmöglich«, sagte er.
Paul grinste. »Wirklich? Aber Sie können ihn unmöglich persönlich gekannt haben, oder?«
»Na ja …«, konterte Robin kokett die Schmeichelei. »Ich bin 1919 geboren, dann können Sie es sich ja ausrechnen.«
»Ah ja, verstehe!«, sagte Paul, verstand jedoch gar nichts – wollte Robin damit andeuten, dass er auch etwas mit Revel gehabt hatte? Revel war gerade einundvierzig, als er getötet wurde, also zweifellos noch recht aktiv, und Robin konnte er sich sehr gut als jungen aufmüpfigen Soldaten vorstellen – aber danach wollte er ihn lieber nicht befragen.
»Mein Gott, ja«, sagte Robin, der plötzlich angewidert mit dem Daumen seine Zigarette im Aschenbecher ausdrückte. »Basil war kein so hoffnungsloser Fall, er war viel konventioneller. Ich glaube, Daphne hatte einfach genug von temperamentvollen Künstlern.«
»Was machte er beruflich?«
»Er war Unternehmer. Er hatte eine kleine Fabrik, die irgend etwas herstellte, ich habe vergessen, was, Waschmaschinen oder so.«
»Verstehe.«
»Jedenfalls ist er pleitegegangen. Er hatte eine Tochter aus einer früheren Ehe, und sie sind zu ihr gezogen. Es muss ein Albtraum für alle Beteiligten gewesen sein.«
»Ach ja, richtig, Sue.«
»Genau, Sue«, sagte Robin mit einem zurückhaltenden Lächeln. »Sie kennen anscheinend die ganze Familie.«
»Na ja«, sagte Paul. »In puncto Cecil sind sie leider nicht besonders nützlich. Aber wenigstens weiß ich sie auf meiner Seite.« Er war unbewusst aufgestanden, als schickte er sich an zu gehen, lächelte und sagte erst jetzt und mit einem mitleidigen Kopfschütteln: »Was glauben Sie? Hatten Daphne und Cecil nun was miteinander oder nicht?«
Robin lachte trocken, als wolle er sagen, dass es Grenzen gab. Paul hatte bereits die Erfahrung machen müssen, dass Information eine Form von Besitz war – diejenigen, die darüber verfügten, hüteten sie gerne wie einen Schatz und steigerten ihren Wert durch Geheimniskrämerei und
Weitere Kostenlose Bücher