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Fremden Kind

Fremden Kind

Titel: Fremden Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Hollinghurst
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Andeutungen, um sich dann, wenn sie sie preisgaben, in ihrem Selbstwertgefühl zu sonnen. »Tja«, sagte er nur und lief unter dem Druck der selbst auferlegten Diskretion rot an.
    »Darf ich Sie irgendwann mal auf ein Glas einladen? Ich möchte Sie jetzt nicht weiter aufhalten.« Ein verschwiegenes Treffen, das den Anschein eines Rendezvous machte, dachte Paul, könnte Robin vielleicht reizen. Ihm war aufgefallen – schon weil er selbst auch die Angewohnheit hatte –, dass sein Blick bei jeder Aufwärts- oder Seitwärtsbewegung für den Bruchteil einer Sekunde am Schritt seiner schwarzen Jeans hängen blieb. Robin zögerte jedoch, als müsste er ein ganz anderes Hindernis überwinden.
    »Ich trinke während der Fastenzeit nicht«, sagte er, »aber danach …«, als tränke er während des übrigen Kirchenjahrs wie ein Fisch. »Ah, hallo, Jake …« Jake war wieder erschienen, stand augenzwinkernd hinter den beiden, wie jemand, der auf ein Geheimnis gestoßen war.
    »Ich hoffe, ich störe nicht.«
    »Kein bisschen«, sagte Robin sanft.
    »Ich rufe Sie an«, sagte Paul. »Nach Ostern!«
    Jake führte Paul zurück an den Tisch, um seine Bücher zu registrieren, eine komplizierte Prozedur mit maschinengeschriebenen Zetteln und Karten. »Ich habe gerade mit dem Chefredakteur gesprochen«, sagte er. »Hättest du Interesse, das hier für uns zu besprechen?« Er gab ihm ein Blatt Papier. »Mein Gekrakel oben übersieh einfach.« Zwei Namen, mit Telefonnummern und Fragezeichen versehen, kräftig mit Tinte durchgestrichen – sicher während der Telefonate, die offenkundig ergebnislos verlaufen waren. »Du müsstest allerdings einmal übernachten. Es wären nur siebenhundert Wör ter für die Kommentarseiten.« Das Gedruckte setzte ihm schwer zu: Balliol College, Oxford, eine Konferenz, ein Dinner, der Warton-Professor für englische Literatur … ihm schauderte vor Angst, die er in ein keuchendes Lachen verwandelte.
    »Wenn du meinst, ich sei der Richtige dafür.«
    »Du warst nicht auf dem Balliol College, oder?«
    »Oh, nein!«, sagte Paul. »Ich doch nicht. Trotzdem, vielen Dank. Ach, ich sehe gerade, Dudley Valance spricht.«
    »Das hat mich auch gewundert. Ich wusste nicht, dass er noch lebt.«
    »Doch, doch, er ist nur leider nicht bei bester Gesundheit«, sagte Paul.
    »Kennst du ihn …?«
    »Ein bisschen. Er und Linette leben die meiste Zeit des Jahres in Spanien.« Da meldete es sich wieder, dieses Kribbeln, das geheime Zeichen, die neuerliche Bestätigung, dass er endlich sein Buch schreiben sollte. Es gab Zeiten im Leben, die sich erst im Nachhinein als wichtig herausstellten, jene maßgeblichen Momente, wenn man merkte, dass Entscheidungen für einen getroffen worden waren.
    Jake begleitete ihn zur Bürotür, wo sie stehen blieben und sich noch kurz weiter unterhielten, bis sie für einen dicken Jungen in Jeans und T-Shirt zur Seite treten mussten. Er schob einen Handwagen mit hoch aufgetürmten, fest verschnürten Zeitungsbündeln und warf nun eines lustvoll vor sie hin, sodass es mit einem dumpfen Geräusch auf den Boden aufschlug. »Neueste Nachrichten!«, sagte er und sah sie mit einem neugierigen, zynischen Lächeln an.
    »Ah, ja … also dann …«, brüstete sich Jake, durchaus charmant, vor seinem Gast. Es gesellten sich noch ein, zwei andere hinzu, umstellten den Stapel, suchten nach Schere oder scharfem Messer und ließen den Zeitungsausträger, der sich, noch immer dünn lächelnd, samt Wagen in den Flur verzogen hatte, unbeachtet. Im Nu war das Plastikband zerschnitten, die oberste Ausgabe herausgezupft und Paul mit einer überschwänglichen Geste präsentiert: »Für dich!« Das neue TLS . Das Freitags- TLS , zwei Tage im Voraus. »Druckfrisch und brandaktuell«, sagte jemand und freute sich an der Reaktion, denn in Wirklichkeit fühlte sich die Zeitung kalt an, sogar klamm. Ein flüchtiges Überprüfen hier und da, an dem sich Paul beteiligte – war die Fotovorlage gut wiedergegeben im Druck, die allerletzte Korrektur richtig eingearbei tet? –, und den Raum erfüllte eine beneidenswerte Atmosphä re beruflicher Zufriedenheit, die sich, da dieses bedeutsame Ereignis allwöchentliche Routine war, ebenso rasch auflöste, als die Redakteure wieder an ihre Schreibtische zurückkehrten und sich auf Artikel konzentrierten, die erst in Wochen oder Monaten erscheinen würden. Paul verabschiedete sich von Jake und verließ mit der klaren Vorstellung das Haus, dass es weitere solche Treffen geben

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