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Fremder in einer fremden Welt

Fremder in einer fremden Welt

Titel: Fremder in einer fremden Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Heinlein
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nur unter formellen Umständen gegenüber Fremden, und auch dann nur, wenn Jill ihn darum bat.
    Kurz darauf waren sie in Las Vegas und mieteten sich in einem Hotel abseits des Strip ein. Mike probierte die Möglichkeiten zum Spielen aus, während Jill die Zeit als Show-Girl totschlug. Sie konnte nicht singen oder tanzen; mit einem hohen, unmöglichen Hut, einem Lächeln und einem Stückchen Flitterstoff zu paradieren, war der Job, der ihr im Babylon des Westens am meisten zusagte. Sie zog es vor, zu arbeiten, wenn Mike beschäftigt war, und irgendwie besorgte Mike ihr immer den Job, den sie sich ausgesucht hatte. Da die Casinos nie schließen, hatte Mike fast die ganze Zeit zu tun.
    Mike achtete darauf, nicht zuviel zu gewinnen, und hielt sich an den Limits, die Jill setzte. Wenn er ein Casino um ein paar Tausender gemolken hatte, verlor er sie wieder; nie trat er als ein Mann auf, der ums große Geld spielt. Dann nahm er einen Job als Croupier an, ließ die kleine Kugel ohne Unterlaß rollen und studierte die Leute. Er versuchte zu groken, warum sie spielten. Er grokte einen Trieb, der sich intensiv sexuell anfühlte - aber er grokte in diesem Trieb Verkehrtheit. Mike behielt den Job eine ganze Zeit lang, während er die Kugel einfach rollen ließ, ohne weiter einzugreifen.
    Jill vermutete, daß die Gäste in dem palastartigen Theater-Restaurant, wo sie arbeitete, nichts als Gimpel waren - und als solche nicht zählten. Zwar besaßen sie mehr Geld, aber sie blieben trotzdem Gimpel. Dabei fand sie auch etwas über sich selbst heraus: Es bereitete ihr außerordentliches Vergnügen, sich zu produzieren, allerdings nur solange sie vor Grabschern in Sicherheit war. Mit zunehmender marsianischer Ehrlichkeit untersuchte sie dieses Gefühl. Sie hatte es immer genossen, von Männern, die sie attraktiv genug fand, daß sie sie gern berührt hätte, mit Bewunderung angeblickt zu werden - es hatte sie geärgert, daß der Anblick ihres Körpers Mike nichts zu bedeuten schien, obwohl er ihren Körper so leidenschaftlich begehrte, wie es sich eine Frau nur erträumen konnte...
    ... solange er nicht anderweitig beschäftigt war. Doch selbst dann war er großzügig. Er ließ es zu, daß sie ihn aus der Trance aufweckte, wechselte die Gänge, ohne sich zu beschweren, und lächelte und war eifrig und liebevoll.
    Trotzdem war dies eine seiner seltsamen Eigenschaften, zu denen auch seine Unfähigkeit zu lachen gehörte. Nachdem Jill als Show-Girl angefangen hatte, kam sie zu dem Schluß, sie genieße es, von Fremden visuell bewundert zu werden, weil es das eine war, was Mike ihr nicht gab.
    Die Ehrlichkeit sich selbst gegenüber, die sich ständig vervollkommnete, spülte diese Theorie schnell hinweg. Die Männer im Zuschauerraum waren größtenteils zu alt, zu fett, zu kahlköpfig, als daß Jill sie hätte attraktiv finden können - und Jill hatte >geile alte Wölfe< immer widerwärtig gefunden - nicht alte Männer im allgemeinen, ermahnte sie sich. Jubal durfte sie betrachten, durfte sogar grobe Ausdrücke benutzen, und doch vermittelte er ihr nicht das Gefühl, er lauere darauf, sie allein zu erwischen und zu betatschen. Sie war sich seiner Liebe und ihrer platonischen Ausrichtung so sicher, daß sie glaubte, ohne weiteres ein Bett mit ihm teilen zu können. Sie würden sofort einschlafen, und er würde ihr lediglich den üblichen Gute-Nacht-Kuß geben.
    Neuerdings machte sie jedoch die Erfahrung, daß diese >geilen alten Wölfe< ihr nicht auf die Nerven gingen. Wenn sie ihre bewundernden Blicke oder ihr unverhülltes Begehren spürte - und sie spürte es, konnte seine Quellen identifizieren -, hatte sie gar nichts dagegen. Es wärmte sie und machte sie zufrieden mit sich selbst.
    >Exhibitionismus< war für sie bisher nichts als ein Fachausdruck gewesen - eine Schwäche, die sie verachtete. Jetzt holte sie ihre eigene Schwäche ans Tageslicht, betrachtete sie und entschied, daß diese Form von Narzißmus entweder normal oder sie anomal war. Sie fühlte sich jedoch nicht anomal; sie fühlte sich gesünder als je zuvor. Sie hatte sich immer einer stabilen Gesundheit erfreut - das war bei Krankenschwestern Voraussetzung -, aber jetzt konnte sie sich gar nicht mehr erinnern, wann sie das letzte Mal einen Schnupfen oder einen in Unordnung geratenen Magen oder auch nur Unterleibskrämpfe gehabt hatte.
    Okay, wenn es einer gesunden Frau gefiel, angesehen zu werden, dann folgte daraus wie die Nacht dem Tag, daß es gesunden Männern gefallen

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