Fremder in einer fremden Welt
soliden Blöcken, Räder wollten sich nicht drehen, Würfel zeigten ständig die Sechs. Endlich arrangierten sie sich mit ihm. baten ihn, weiterzuziehen, nachdem er ein paar Tausender gewonnen hatte. Das hätte Mike gleich getan, wenn sie ihn höflich darauf angesprochen hätten.«
Caxton setzte hinzu: »Also steht ein weiterer Machtblock gegen uns. Nicht nur die Fosteriten und die anderen Kirchen, sondern jetzt auch noch das Syndikat und die Stadtorganisation. Ich glaube, die Schlägertrupps der Fosteriten haben bei der Brandstiftung im Tempel nicht die Hand im Spiel gehabt; das war das Werk von Professionellen, die man von außerhalb herbeigekarrt hat.«
Während sie miteinander sprachen, kamen Leute herein, gingen hinaus, bildeten Gruppen. Manchmal gesellten sich auch einige für kurze Zeit zu ihnen. Jubal stellte bei ihnen ein höchst ungewöhnliches Verhalten fest, eine entspannte Gelassenheit, die gleichzeitig dynamische Spannung war. Niemand wirkte aufgeregt, niemand war in Eile. und doch taten sie alles zielbewußt. Es zeigte sich sogar in Gesten, die offenbar nicht vorher überlegt waren, wenn sie zum Beispiel bei einer Begegnung einen Kuß oder einen Gruß tauschten. Jubal vermittelte es das Gefühl, jede Bewegung sei von einem Choreographen geplant - was natürlich nicht der Fall war.
Die Ruhe und die sich steigernde Spannung - oder besser >Erwartung<, berichtigte er sich; diese Leute waren nicht auf irgendeine krankhafte Art angespannt - erinnerten Jubal an etwas. An einen Operationssaal? Mit einem Meister der Chirurgie bei der Arbeit, kein Geräusch, keine unnötige Bewegung?
Dann fiel es ihm ein. Vor vielen Jahren, als die Menschen chemisch angetriebene Raketen zur ersten Erkundung des Raums verwendeten, hatte er einen Countdown in einem Blockhaus miterlebt. Es waren die gleichen leisen Stimmen, die entspannten, sehr mannigfaltigen, aber koordinierten Aktionen gewesen, das gleiche Ansteigen einer frohlockenden Erwartung. Sie >warteten auf die Erfüllung<, das war gewiß. Aber welche Erfüllung? Warum waren sie so glücklich? Ihr Tempel und alles, was sie aufgebaut hatten, war zerstört worden. und doch wirkten sie wie Kinder am Weihnachtsabend.
Jubal war bei seiner Ankunft aufgefallen, daß die Nacktheit, die Ben bei seinem ersten Besuch im Nest so irritiert hatte, hier nicht der Brauch zu sein schien, obwohl die Räume dafür privat genug waren. Als sich tatsächlich jemand nackt zeigte, entging es ihm. Er hatte sich so stark in die einzigartige Stimmung einer engverbundenen Familie hineinziehen lassen, daß es irrelevant war, ob die Menschen angezogen waren oder nicht.
Als er es bemerkte, war es nicht die Haut, sondern die dichteste, schönste Kaskade schwarzen Haares, die er je gesehen hatte. Sie schmückte eine junge Frau, die hereinkam, mit jemandem sprach, Ben eine Kußhand zuwarf, Jubal ernst anblickte und wieder ging. Jubal folgte ihr mit den Augen und bewunderte diese wogende Masse mitternächtlichen Gefieders. Erst als sie fort war, kam ihm zu Bewußtsein, daß sie in nichts anderes gehüllt gewesen war als in diese königliche Glorie. und daß sie nicht als einzige von seinen Brüdern unbekleidet ging.
Ben bemerkte seinen Blick. »Das ist Ruth«, sagte er. »Unsere neue Hohepriesterin. Sie und ihr Mann sind an der anderen Küste gewesen - um Vorbereitungen für eine Zweigtempel zu treffen, glaube ich. Ich freue mich, daß sie wieder hier sind. Es sieht aus, als käme die ganze Familie nach Hause - wie bei einem altmodischen Weihnachtsessen.«
»Wundervolles Haar. Ich wünschte, sie wäre ein bißchen geblieben.«
»Warum hast du sie nicht hergerufen?«
»Wie bitte?«
»Ruth ist bestimmt hereingekommen, um einen Blick auf dich zu erhaschen - sie müssen eben erst angekommen sein. Ist dir nicht aufgefallen, daß man uns so ziemlich in Ruhe läßt? Die wenigsten, die sich zu uns setzten, haben nie viel gesagt und sind immer schnell wieder verschwunden.«
»Nun. ja.« Jubal war darauf gefaßt gewesen, ungebührliche Intimität abzuwehren - und fand, daß er auf eine Stufe getreten war, die es gar nicht gab. Er war gastfreundlich aufgenommen worden, aber es war eher die Höflichkeit einer Katze als die eines überfreundlichen Hundes.
»Sie sind alle schrecklich interessiert an der Tatsache, daß du hier bist, und brennen darauf, dich zu sehen. aber sie haben zuviel Ehrfurcht vor dir.«
»Vor mir?«
»Oh, das habe ich dir doch schon im Sommer erzählt. Du bist ein Mythos, nicht ganz
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