Fremdes Licht
nackt
unter ihm sträubte, wie er gewaltsam in sie eindrang, und er
ließ Ayrids Handgelenk los. Es war feuerrot.
»Verlust und Gewalt«, sagte Ayrid wütend. »Sie
können merkwürdige Verbindungen eingehen. Besonders in
R’Frow. Aber du verschließt ja die Augen davor, du willst
ja nicht wahrhaben, was R’Frow den Menschen antut.«
»Nein«, sagte Dahar schroff. Er wandte sich von Ayrid
ab. »Ich muß noch einmal zum Unterrichtsraum. Ich habe die
Tür nicht richtig zugemacht. Ich mußte SaSa da
wegtragen.«
»SaSa…«, sagte Ayrid mit klirrender Schärfe.
Wieder verschmolzen die beiden Frauen in seinem ausgelaugten Hirn.
Keine war, wofür er sie gehalten hatte; beide durchbohrten ihn
mit Waffen, denen er nichts entgegenzusetzen hatte, Ayrid mit ihren
Worten und SaSa mit ihren Augen…
»Sie war eingeschlafen im Korridor. Sie hat mich
angesehen…«
»Ich weiß. Ich kenne SaSas Blick. Zerquält von
Verlust und Gewalt, jeder Atemzug eine Folter, weil sie inwendig
voller Messer und Dolche ist. Wie ist sie so geworden, Dahar? Was ist
in euren ehrbaren Kriegerhallen passiert, daß sie so geworden
ist? Eine jelitische Hure – wie anders hätte sie es dir
heimzahlen sollen als durch ihren Blick? Na, wie denn? Und du drehst
mir den Rücken zu. Fändest du es besser, wenn ich an Embris
Verlust zerbrochen wäre? Wenn ich dich hassen würde, wie
Kelovar dich haßt? Wenn ich – wie du – ein
zweiäugiges Zerrbild von einem Ged geworden wäre?«
Sie hieb ihm die Faust gegen den Brustkasten, ein fahriger,
wirkungsloser Schlag. Dahar packte ihre Handgelenke. Jetzt wurde sie
erst richtig wütend und warf sich, obwohl sie die Beine nicht
frei bewegen konnte, mit dem Oberkörper gegen ihn, grub ihm die
Zähne in die Schulter, biß rücksichtslos durch Tebel
und Haut. Grob, zu grob – seine Nerven waren zum Zerreißen
gespannt, und Ayrid hatte nichts entgegenzusetzen – packte er
sie bei den Oberarmen und warf sie von den Kissen. Sie schrie auf vor
Schmerz. Er hatte ihr Bein vergessen – oder absichtlich nicht
daran gedacht. Verlust und Gewalt.
Er fiel neben ihr auf die Knie und raffte sie an sich. Sie wehrte
sich nicht. So verharrten sie eine Zeitlang. Ringsherum gähnten
unerwartete Abgründe.
Schließlich brachte Ayrid mühsam heraus: »Ich
hätte dich gewollt, auch wenn du kein… Krieger gewesen
wärst. Im Unterricht, als du dir die Sachen von den Geds
angesehen hast, da… Spielt es denn eine Rolle, aus welchem Grund
ich dich haben wollte? Wenn Krieger sich mit der erstbesten
Hure…«
»Hör auf!« knirschte er. »Das ist
vorbei.«
Sie schwieg.
»Verlust und Gewalt – Krimist, verdammter!«
»Das ist R’Frow. Eine Brutstätte für beides.
R’Frow hat uns nicht bloß die Wissenschaft beschert.«
Sie spürte, wie er sich versteifte, ließ aber nicht
locker. »Du willst nichts davon wissen. Aber da ist irgend etwas
in R’Frow… Für eine Heimatlose wie mich war
R’Frow wie… wie Sonnenlicht, das auf Glas fällt. Ich
war geblendet. Die Wissenschaft, die Nahrung, die Wärme: diese
wundervolle Wärme. Ich hatte solche Kälte gelitten in der
Savanne, mir war so kalt gewesen ohne Embri – nein, Dahar,
hör zu –, aber je länger die Menschen in R’Frow
waren, um so häufiger kam es zu Gewalttaten.
Wurde denn draußen, wenn wir nicht gerade Krieg hatten,
soviel getötet? Unsere Händler machten mit euren
Bürgern Geschäfte, und Tey sagt, er wäre sogar in Jela gewesen. Im Glashof wurde gemunkelt, im Gebirge würden
Jeliten und Delysier gemeinsam nach Erz schürfen, ob Krieg war
oder nicht. Wenn der Waffenstillstand gebrochen wurde, und es kam zu
Grenzgeplänkeln, dann war das immer noch nicht wie in
R’Frow. Hier geht es hitziger, wilder zu – und das, obwohl die Geds Gewalt verbieten. Die Gewalt greift irgendwie
um sich, wie eine Krankheit, wie diese juckenden Bakterien, die nicht
existierten, bis die Menschen nach R’Frow kamen. Und sie greift
weiter um sich.«
Er sagte gepreßt: »R’Frow hat uns Wissen beschert,
das wir nicht in hundert Jahren entdeckt hätten.«
»Ich weiß. Ich weiß. Aber die Gewalt greift um
sich. Die Bäume sterben, das Gras stirbt, und die Gewalt greift
um sich.«
Dahar lag still da. Er sah die Wroffphiolen vor sich, in denen
trübe Wolken aus Eiter und Bakterien schwammen, die Bakterien
vermehrten sich und vermehrten sich. »Du irrst dich, Ayrid.
Delysia und Jela haben sich immer befehdet. Was die Geds bewirkt
haben, was in R’Frow tatsächlich zugenommen hat, ist
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