Fremdes Licht
das
genaue Gegenteil: Delysier und Jeliten machen gemeinsame Sache.
Krijin und Lahab und wir beide hier in der Unterrichtshalle bei Grax.
Der Krihundspakt« – er verhaspelte sich ein bißchen
bei dem Namen, fuhr aber unbeirrt fort – »den Belasir und
Khalid geschlossen haben, was immer sie dazu getrieben hat. Und du
und ich nackt auf den Kissen hier. Was… immer uns dazu
treibt.«
Wenn sie die letzten Worte verletzend fand, so zeigte sie es
nicht. »Aber die Gewalt hat auch zugenommen, Dahar. Ja, wir sind
uns nähergekommen in R’Frow, ganz anders als draußen.
Als ob… ich weiß auch nicht. Als ob R’Frow die
Menschen irgendwie veränderte.«
Er spürte die Ratlosigkeit in ihren Gedanken und auch,
daß sie ihr nicht eben erst gekommen waren. Mit diesen Gedanken
mußte sie sich schon geraume Zeit herumplagen, ohne aus dem
fruchtlosen Kreis herauszukommen – wie er, wenn er zum
hundertunderstenmal über die Bakterien nachdachte, die keine
waren. Dahar spürte eine kalte, kraftlose Wut im Bauch. Sie
griff R’Frow an – und ihn.
»Und wie hat R’Frow die Menschen
verändert?«
»Ich weiß nicht.«
»Ich aber. Wir verstehen inzwischen mehr von der Materie, von
den Zwängen, vom Heilen. Um nur einiges von dem zu nennen, was
du selbst für so ungemein wichtig hältst.«
»Du hast ja recht«, sagte Ayrid sehr leise.
»Du greifst also an, woran dir angeblich liegt. Delysia
steht für Hinterlist. Sieht ganz so aus, als hätte man
dich in Delysia verkannt.«
Sie antwortete nicht und wich nicht vor ihm zurück. Obwohl er
zornig war, obwohl er verbittert war angesichts der Verletzungen, die
sie einander zufügten, empfand er eine gewisse Bewunderung
für Ayrid. Sie hatte unbekümmert ausgesprochen, was sie
dachte. Waren Frauen immer so provozierend? Bewunderung, Zorn,
Verbitterung, Begehren, Verletzen – sie brachte ihn derart
durcheinander, daß er nicht mehr wußte, wo ihm der Kopf
stand. Und er war todmüde.
»Ayrid…«, begann er ein wenig verstört, aber
sie unterbrach ihn.
»R’Frow hat nicht nur die Menschen
verändert.«
»Wie meinst du das?«
»Die Gewalt zwischen Delysiern und Jeliten reißt nicht
ab. Nicht weil die Menschen anders geworden sind. Es liegt an
R’Frow selbst. Die Stadt hat den Menschen etwas weggenommen. Platz, Dahar. Hier ist nicht genug Platz! Krieger und Soldaten
laufen sich ständig über den Weg. Wir können uns nicht
aus dem Weg gehen. Jehanna und ich. Du und ich. Belasir und Khalid.
R’Frow hat uns etwas weggenommen, was wir draußen
hatten.«
Ihre Stimme war leise geworden, klang abgehoben, als schwebe sie
über einem Strudel aus Gedanken. Dahar spürte ganz oben im
Nacken ein leichtes Prickeln.
»Etwas weggenommen«, fuhr Ayrid fort, »was wir
draußen hatten, und die Gewalt nimmt zu.«
Das Prickeln in Dahars Hinterkopf nahm zu, irgend etwas bahnte
sich an. Die Ahnung einer Offenbarung, als wenn die Gedanken vor
einer Hürde stünden, vor einem neuen Einblick in die
Gedwissenschaft. Aber die Hürde war noch zu hoch, er konnte
nicht erkennen, was dahinter lag…
»Etwas, das uns fehlt«, sagte Ayrid wieder. »Nicht
wir sind anders geworden – uns fehlt etwas.«
Jetzt sah Dahar, was es war. Seine Hand schloß sich fest um
ihren Arm. »Es vermehrt sich, Ayrid. Du hast gesagt, die Gewalt
greift um sich – so hast du dich ausgedrückt. Etwas wird weggenommen, und dann kommt es zur Vermehrung.«
Sie starrten einander an: Ayrid verblüfft, weil sie sich
seine plötzliche Erregung nicht erklären konnte; Dahar so
eindringlich, daß sein grobes, von Erschöpfung
gezeichnetes Gesicht ganz wild aussah.
»Ayrid – irgend etwas fehlt in R’Frow, und dann
kommt es zur Vermehrung…«
Es fiel ihr wie Schuppen von den Augen. »Die
Bakterien…«
»Die Krankheit greift um sich, weil irgend etwas fehlt in
R’Frow. Es gibt diese Bakterien – oder was immer sie sind
– es gibt sie vielleicht auch draußen, nur daß sie
sich da nicht so ungehemmt vermehren können. Weil es
draußen etwas gibt, das es hier in R’Frow…«
»Aber was?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht hat unsere Haut
draußen etwas bekommen, das sie jetzt nicht mehr bekommt.
Flußwasser zum Beispiel – draußen haben wir im
Fluß gebadet. Vielleicht ist das Badewasser
anders…«
»Nein. Ich habe Grax gefragt. Das Flußwasser wird
einfach von draußen abgezweigt und mit Rohren zu den
Badehäusern gelenkt. Auch die Bäche kommen aus den
Rohren.«
»Und die Bakterien werden herausgefiltert. In R’Frow
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