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Fremdes Licht

Fremdes Licht

Titel: Fremdes Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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schwarzes Haar teilte sich und fiel rechts und links wie
ein Vorhang zu Boden.
    Das Steinchen war glatt und rund. Wieder flackerte da dieses Bild,
das sie hierher auf diesen Pfad gebracht hatte: die Kriegerin mit der
Waffe aus drei runden Steinen: Talot ist in der Mauer, und die
Geds halten sie da gefangen. Eine Kriegerin. Aber Kriegerinnen
stören die Stille nicht mit Worten, die weh tun, und dieses
seltsame Gefühl hatte immerhin ein Weilchen vorgehalten, bevor
es wie alle anderen in das wortlose Feuer getanzt war.
    Sie schleuderte das Steinchen ins verdorrte Gras.
    Niemand hielt sich in der Halle auf, als SaSa durch den Torbogen
schlenderte. Nun benutzten die Geds die Halle, hierher kamen die
Menschen, die diese juckende Hautkrankheit hatten. SaSa fragte sich
nicht, warum die Halle jetzt leer war. Aber da hatte jemand etwas
verloren, SaSa bückte sich und hob es auf. Entweder wußte
sie nicht, was es war, oder es war ihr egal: irgendein kleines,
eigenartig geformtes Stück Wroff. Nichtsdestoweniger hielt SaSa
es kurz an ihre Wange, nicht weil es sie an die Geds erinnerte,
sondern weil es sie an Ayrid erinnerte, die den ganzen Tag über
in einem Ding aus Wroffröhren saß, die sich genauso
kühl anfühlten wie dieser nichtssagende Fund.
    Ayrids Bild war das einzige, das nicht im Feuerschein flackerte.
Ayrid war die Mitte des Feuers, der weiße Fels, der nicht
brannte. Der früher ein riesiger Mann gewesen war, und der jetzt
Ayrid war, denn irgendwer mußte er ja sein. Sie, SaSa, hatte
früher einmal Ayrid durch die Straßen von Jela geschleift,
und Ayrid war tot gewesen; inzwischen war Ayrid nicht mehr tot. Das
kam ihr manchmal seltsam vor.
    Aber nicht seltsamer als die anderen Bilder, die im Schein des
schweigsamen Feuers flackerten.
    Ayrid war der weiße Fels. Sie war da, selbst wenn sie nicht
da war, wenn der Krieger sie hinter verschlossener Tür benutzte,
wie er SaSa benutzt hatte in der Hurengasse in Jela. Doch Ayrid kam
immer wieder aus dem Zimmer zu ihr zurück. Sie war vom Totsein
zurückgekommen; sie würde auch aus dem Zimmer
zurückkommen. Sie würde immer zurückkommen. Sie war
keine Kriegerin, und sie war kein Mann.
    SaSa schleuderte das Wroffstückchen fort.
    Die Bodentischchen murmelten sanft, und die dampfenden
Schüsseln erschienen. SaSa betrachtete sie furchtlos, derweil
Bilder vor ihrem geistigen Auge flackerten: kühler Feuerschein,
der nicht versengte, Worte, die die Stille nicht verletzten, weil es
Ayrids Worte waren.
    »Ich würde dir gerne helfen, Jehanna. Aber ich kann
nicht. Nur Geds gehen da ein und aus.«
    SaSa runzelte die Stirn.
    Aus einem unerfindlichen Grund warf sie einen Blick auf die Wand
neben der Leiter. Da war nichts Besonderes; die Geds hatten, um die
Kranken, die hier Hilfe suchten, nicht gegen sich aufzubringen, den
glühenden Kreis genauso abgedeckt, wie es die Menschen
überall getan hatten.
    SaSa räumte von einem Tischchen die Schüsseln ab. Sie
legte sich auf die glatte Wrofffläche, rollte sich so eng wie
möglich zusammen und wartete. Nach ein paar Atemzügen
steckte sie den Daumen in den Mund.
    Als sich das Wroff über ihr schließen wollte, traf es
auf ihre rechte Schulter und stockte. SaSa zog die Schulter ein. Das
Wroff schien sich ein paarmal vor und zurück zu bewegen,
gleichsam wankelmütig, bevor es sie endgültig in seinen
dunklen Schoß aufnahm. Sie sank in den Boden.
    Wieder landete SaSa auf einem Haufen Schüsseln. Sie erhob
sich ohne Hast, wischte sich das Gröbste vom Leib und sah sich
um.
    Krihunde: Das kühle, flackernde Bild verblaßte. Hier
waren keine Krihunde. Der Raum hatte sich schon wieder
verändert, er war jetzt weiter, aber niedriger, die Käfige
reichten vom Boden bis zur Decke, einer neben dem anderen, vorne aus
durchsichtigem Wroff, und darin jedesmal ein breiter, waagrechter
Schlitz. Stimmen wurden laut, tobten, schimpften, jammerten, flehten.
Hände reckten sich aus einigen Schlitzen.
    Mit spitzen Fingern klaubte SaSa einen klebrigen Nahrungsbrocken
aus ihrem Haar, drehte sich um und warf ihn auf den Haufen aus
Schüsseln und Pampe.
    Sie schlenderte näher an die Käfige heran. Im ersten
hockte eine Jelitin, mit hängenden Schultern, völlig
apathisch. Im nächsten Käfig hopste ein nackter Delysier
herum; er kehrte SaSa den Rücken zu, blickte an die
Rückwand, wo sich ein Mann auf einem gerahmten Bild bewegte. Der
Mann auf dem Bild hüpfte auf einem Bein, der Delysier
hüpfte auf einem Bein, der Mann auf dem Bild nahm die Hände
auf

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