Fremdes Licht
auf sie herunter, ein
scheues Lächeln um den Mund, ein freundliches, das erste, das
man ihn in R’Frow lächeln sah. Seine Lippen waren sehr
bleich, so farblos wie stumme Wolken am Himmel.
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»Ein paar Menschen haben sich gewundert, daß wir ihnen
ausgerechnet nach dem ersten Gewaltakt eine neue Waffe geschenkt
haben«, sagte ein weiblicher Ged. Die anderen wandten sich ihr
zu, um diese Feststellung zu überdenken, wiewohl man diese
Beobachtung bereits gemeinsam mit dem Bibliothekshirn besprochen
hatte. Sonst hätte sie das schwerlich in Worte kleiden
können.
Sie waren alle achtzehn versammelt, so wie lange nicht mehr seit
den hektischen Anfängen in R’Frow. Es tat gut, dazusitzen
und Betrachtungen anzustellen in dem trüben orangefarbenen
Licht, das ihrer Heimatsonne nachempfunden war. Es tat gut, einander
langsam zu streicheln, Pheromone zu teilen, das Offensichtliche und
Offenbare immer wieder laut und mit verschiedenen Stimmen
auszusprechen, in der beruhigenden Gewißheit, daß alle
mit derselben Stimme sprachen. Es tat gut, wieder gesittet
beisammenzusein. Jemand hatte die Gunst des Augenblicks erkannt und
die Temperatur um zwei Einheiten höher eingestellt.
Komplexe Düfte schwängerten den Raum. R’gref, der
junge Ged, der bei der letzten Vollversammlung die Kontrolle
über seine Pheromondrüsen verloren hatte, roch noch schwach
nach Scham, und die anderen besprühten ihn beharrlich mit
Pheromonen, die ihm Mut machten. Paarungspheromone strömten in
den Raum und bereiteten die Versammelten auf die Einheit vor, die
sich bald ereignen würde. Obwohl die Sorge um die Flotte immer
gegenwärtig war, spielte sie jetzt eine Nebenrolle, war nur mehr
ein Schatten im Bouquet der Freude. Man war glücklich, wieder
beisammen zu sein. Man freute sich darauf, die Paarungssäfte
miteinander zu teilen. Man freute sich an dem reichen und trägen
Aroma dieses Raums, in dem zwar über die garstigen und
unbegreiflichen Menschen geredet wurde, zu dem sie aber keinen
Zutritt hatten.
Die Geds reckten sich genüßlich, sogen die Luft durch
die Nase und rückten enger zusammen. Ruhig webte jede Stimme mit
an dem Muster, das jeder kannte. Auf Ged, wo das gemeinsame Weben die
höchste Kunstform war und die Wandteppiche in besonderer Weise
behandelt wurden, um die Pheromone der Mitwirkenden zu konservieren
– auf Ged hätten sie still beisammengesessen und kein Wort
verloren. Doch hier in R’Frow hinterließ das Geraspel der
Menschen das unbändige Verlangen nach Textilien aus Wohlklang
und Wohlgeruch.
»Die Menschen, die sich über das Betäubungstuch
gewundert haben, stellen sich bei der Wissensvermittlung am
gelehrigsten an«, brachte R’gref zum Ausdruck, und die
Pheromone der Ermutigung kamen konzentrierter und trugen einen
Beigeschmack von Freude: R’gref machte wieder mit!
»In uns singt die Harmonie.«
»In uns singt die Harmonie.«
»Möge sie immer singen.«
»Sie wird auf immer singen.«
»Daß sie aber auch eine so unterschiedliche Intelligenz
haben«, sagte einer. Erstaunen – alt, aber ungebrochen
– webte sich in das Muster. Unterschiedliche Intelligenz hatte
man bei einer so genetisch divergierenden Spezies erwartet; aber die
Schwankungsbreite war schockierend.
»Vielleicht hätten wir mit dem Betäubungstuch noch
warten sollen.«
»Vielleicht. In uns singt die Harmonie.«
»Möge sie immer singen.«
»Sie wird auf immer singen.«
»Jede Verweigerung seitens der Menschen, die sich wundern,
können wir dadurch überwinden, daß wir ihnen neues
Wissen vermitteln.«
»Darin sind wir uns einig.«
»Darin sind wir uns alle einig. In uns singt die
Harmonie.«
»Wir sind uns einig. In uns singt die Harmonie.«
»Möge sie immer singen.«
»Wer von diesen Menschen braucht am dringendsten unsere
Zuwendung? Wer ist der Vielversprechendste?«
»In uns singt die Harmonie.«
»Ich höre sie singen.«
»Dahar. In der Klasse von Grax.«
»Ja. Dahar. Wir sind uns einig.«
»In uns singt die Harmonie. Dahar.«
»In uns singt die Harmonie.«
»In der Klasse von Wraggaf. Die Menschin namens
Krijin.«
»Ja. Krijin. Wir sind uns einig.«
Und so fort, Stunde um Stunde. Man kostete den Wohllaut der
Einhelligkeit aus, und ihre Süße, und näherte sich
auf immer engeren Kreisen der noch süßeren Einheit in der
gemeinsamen Paarung…
Sie besprachen sich Stunde um Stunde, und die achtzehn
beschlossen, was man schon vor der Versammlung beschlossen hatte. Sie
würden sich an die Empfehlungen des
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