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Fremdes Licht

Fremdes Licht

Titel: Fremdes Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Fall mit der Haut in Berührung kommen; man
mußte ihn in einen Behälter sperren. Was, wenn sie eine
dritte Zelle dazunahm? Sie konnte das alles nicht in Wroff verpacken;
sie kannte kein Wroffgefäß, das groß genug war. Und
das Ganze mußte mehr Draht als Zellen haben, wenn es Wärme
abgeben sollte…
    Von rechts nahm sie eine vage Bewegung wahr. Der Jelite starrte
herüber. Er hatte auch zwei Zellen; er hatte sie genauso
verbunden wie sie, fühlte an dem Draht und riß die Hand
zurück. Er runzelte die Stirn. Dann beugte er sich über das
Tischchen. Als er sich wieder aufsetzte, sah Ayrid, daß er
seinen Draht zu einer Spirale gewunden hatte; die Windungen hatte er
dicht zusammengedrängt. Sie mußte unwillkürlich an
die eng gewickelten Schmuckbänder denken, die jelitische
Bürger am Oberarm trugen. Er hakte die Spirale an beide Zellen
und hielt die Hand darüber.
    Machten die Windungen irgendeinen Unterschied? Ayrid wickelte
ihren Draht genauso. Er wurde heiß, die Wärme war zwar
gebündelter, aber Schock und Hitze machten das Ganze noch immer
zu einer kitzligen Angelegenheit; es mußte einen praktischeren
Weg geben, den Draht zu handhaben – das war einfach zu
umständlich und zu wackelig, den Draht mit dem Holzspan an die
Zellen zu drücken…
    Plötzlich fiel ihr ein, bei wem sie abgeguckt hatte.
    Sie riß den Kopf hoch und begegnete Dahars Augen. Der
stellvertretende Kommandant der Jeliten starrte sie unverwandt an
– jeder von ihnen hatte den gleichen geringelten Draht, zwei
Zellen und auch sonst die gleichen fremden Gegenstände vor sich.
Auf seiner Schulter glänzte die blaurote Doppelhelix. Sein
dunkles jelitisches Gesicht war ausdruckslos. Ayrid wollte sich der
Magen herumdrehen: aus Furcht, aber nicht bloß aus Furcht. Sie
riß sich von seinen Augen los und konzentrierte sich wieder auf
die Drahtspirale, die immer heißer wurde.
    Einen Augenblick später sah sie sich verstohlen um. Sie
wollte wissen, wer das Entstehen der beiden Drahtspiralen beobachtet
hatte.
    Niemand zeigte Interesse; nur der Ged.

 
17
     
    »Das ist eine neue Waffe«, sagte der Ged.
    Der Waffenunterricht fand im Innenhof der Unterrichtshalle statt.
SaSa stand ganz alleine auf einer Seite des Hofs und sah ohne Neugier
zu, wie der Ged ein handtellergroßes knallrotes Stück
Stoff hochhielt. Vor einem Zehnzyklus hatte SaSa eine Dreikugel
bekommen, die Waffe aber wohlweislich nicht geschleudert. Das
hätten die Kriegerinnen nicht zugelassen. Die Bruderkrieger
hätten sie womöglich gewähren lassen. SaSa hatte, wie
andere Huren auch, immer wieder Gelegenheit gehabt, ihr
Mißgeschick im Umgang mit den Waffen der Krieger zu beweisen,
manchmal nach dem Abspritzen, aber meistens vorher. Manchen Kriegern
gefiel das. Doch die Kriegerinnen hätten nicht lange gefackelt.
SaSa hatte ihre Dreikugel hier im Innenhof gelassen, und irgendein
Krieger mußte sie an sich genommen haben. Das rote Tuch
würde sie auch nicht mitnehmen.
    Ein delysischer Soldat sagte mißbilligend: »Eine neue
Waffe? Jetzt?«
    »Ja«, sagte der Ged. Der erste Stellvertreter der
Oberkommandierenden sah den Ged durchdringend an, und dann den
Delysier, der den Einwand gemacht hatte. Der Krieger hat dich
einmal benutzt, sagte eine innere Stimme zu SaSa; sie war froh,
daß es nicht wieder diese hartnäckige, dunkle Stimme war,
die das sagte.
    »Auf meiner Heimatwelt wird sie dazu benutzt, wilde Tiere zu
fangen, ohne sie zu verletzen, geschweige denn zu töten. Anders
als die Dreikugel verursacht sie keine Schmerzen. Wenn ihr diese
Waffe selbst herstellen wollt, müßt ihr noch Geduld haben
und lernen. Das Tuch wirkt auf die Teile im Körper, die ihn
steuern. Einer von euch soll herkommen, damit ihr seht, wie die Waffe
gehandhabt wird.«
    Keiner rührte sich vom Fleck. SaSa starrte geistesabwesend
auf den Boden; das alles ging sie nichts an.
    Dahar ging mit ausholenden Schritten zu dem Ged. »Du kannst
die Waffe an mir ausprobieren.«
    Die jelitischen Krieger tauschten verstohlene Blicke. SaSa sah,
wie Jehanna bis über beide Ohren rot wurde. Die Delysier
tuschelten.
    »Gut«, sagte der Ged. »Zieh deinen Tebel aus.«
Als Dahar seinen Oberkörper entblößte, fuhr der Ged
fort: »Man drückt das Tuch hier irgendwo auf den
Körper.« Der Finger des Ged spürte Dahars
Wirbelsäule nach, vom Nacken bis zum Kreuz. SaSa hatte noch nie
erlebt, daß ein Ged einen Menschen berührt hatte. Dahar
stand steif da, einen Kopf größer als der Ged, obwohl er
nicht besonders groß war.

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