Fremdes Licht
fünf. Es dürfte nicht schwer
sein, sie alle fünf zu überprüfen. Zwei waren zur
Wache eingeteilt; die Zeit zwischen zwei Kontrollrufen dürfte zu
knapp sein für den ganzen Weg bis zur Unterrichtshalle und
zurück.«
Belasir sagte: »Wer also?«
»Ich habe sein Gesicht nicht gesehen. Aber es kann nur dieser
Krieger gewesen sein. Warum hätte er sich sonst durch die
Sperrzone geschlichen?«
»So wie du?«
»Gibt es noch einen anderen Krieger, dem Ihr gestattet habt,
eine Beziehung mit den Geds anzuknüpfen?«
»Versuche nicht, mich zum Narren zu halten, Dahar«,
versetzte sie heftig. »Du beschäftigst dich nicht mit ihren
Arzneien, um die Geds für Jela zu gewinnen.«
Er schwieg; besser, sie bereute von sich aus. Schließlich
hatte sie ihm erlaubt, bei Grax in die Lehre zu gehen. Sie war fair
genug, um sich das zu vergegenwärtigen, und wenn sie ihre
Heftigkeit bedauerte, dann war sie hernach um so beherrschter.
Er würde sich ihre Fairness zunutze machen.
»Woher wußte der Bruder, wo sich der Delysier gerade
aufhielt? Mehr noch, woher wußte er, wer die Schwester
getötet hat? Man munkelt, das weiß nicht mal der
delysische Kommandant.«
»Ich glaube nicht, daß der Krieger das wußte. Wie
sollte er auch. Alle kommen in Frage. Es ist doch bekannt, daß
Khalid nichts dagegen hat, wenn seine Soldaten nachts auf die Jagd
gehen – vorhin kamen sie dicht an der Sperrzone vorbei. Sich in
der Nähe der Unterrichtshalle auf die Lauer zu legen, wäre
plausibel. Da laufen alle Wroffpfade zusammen, und die glühenden
Kreise an der Außenseite geben gerade soviel Licht ab,
daß man noch sehen kann, ohne gesehen zu werden.«
Belasir starrte wieder auf das zerstörte Auge.
Dahar sagte lakonisch: »Der Bruder hat nicht bloß die
Geds mißachtet, sondern auch Euch. Euer Befehl war
unmißverständlich.«
»Und dafür wird er sterben.«
»Und mit ihm ganz Jela.«
Belasirs Kopf ruckte hoch. Dahar fuhr lakonisch fort, versuchte
alles aus seiner Stimme herauszuhalten, was nicht nach
militärischer Vernunft klang; er hatte zwei Gegner: sich selbst
und Belasir.
»Bedenkt, Generalin. Die Geds waren nicht Zeuge des Mords.
Aber sie sehen sehr wohl, wer jeden Morgen zur Unterrichtshalle kommt
und wer nicht, und dann fahnden sie nach den Fehlenden, bis sie sie
gefunden haben. Außerdem müssen sie noch ein eigenes Netz
von Informanten haben, sonst hätten sie nicht so schnell von dem
ersten Mord erfahren. Wenn wir in wenigen Stunden alle zur
Unterrichtshalle gehen, dann werden sie entweder auf einen toten
Delysier stoßen, oder – falls ich den Krieger töte
– auf zwei Tote. Und Töten wird mit Verbannung
bestraft.«
Dahar hielt inne, ordnete seine Gedanken und wählte seine
Worte so sorgfältig, wie er nur konnte. »Und nun stellt
sich die Frage, wen die Geds in der einen Situation verbannen werden
und wen in der anderen – beide Situationen sind
grundverschieden?«
»Wir wissen es nicht, Dahar. Hast du nicht selbst gesagt,
daß sie anders denken als Menschen?«
Sie mied das Unausweichliche, wenn sie damit in den Ruch des
Unehrenhaften kam. Bei einer Oberkommandierenden kann das durchaus
eine Schwäche sein, sagte der abseitige Dahar. Der andere
sagte rasch: »Ja. Die Geds sind keine Menschen. Aber trotzdem,
versetzt Euch in die Lage der Geds. Was würdet Ihr
tun?«
Sie runzelte die Stirn und überlegte. »Wenn nur der
Delysier tot ist, dann wäre es plausibel, alle Jeliten zu
verbannen. Dann sind wir es, die den Bund der Ehre gebrochen
haben…«
Er bemerkte die Wut und die Scham, die unter der kalkulierenden
Stimme vibrierten, und wagte es, Belasir zu unterbrechen: »Und
dann kämen allein die Delysier in den Genuß der
künftigen Waffen. Wenn es in R’Frow keine Jeliten mehr
gibt, kann Khalid vielleicht verhindern, daß seine Leute sich
gegenseitig umbringen. Delysia würde alles ernten, was die Geds
zu bieten haben; wer weiß, was für mächtige Waffen
die Geds noch herausrücken. Und wenn das Jahr zu Ende ist, und
sie mit all ihren Waffen nach Delysia abziehen…«
Belasir hatte steile Falten zwischen den Brauen. »Aber soweit
kommt es nicht! Die Geds sollen sehen, daß wir die Ehre
hochhalten, daß wir getan haben, was wir konnten. Sie werden zwei Tote vorfinden, einen Delysier und einen
Jeliten.«
»Und dann sehen, daß Jela nach der letzten Warnung
zweimal getötet hat, und die Delysier keinmal.«
Belasir starrte ihn an, dann sagte sie knirschend: »Du
stellst das Resultat des Ungehorsams mit dem
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