French 75: Ein Rostock-Krimi
Lebens!«
»Das kann sein! Ich werde Ihre Söhne retten!«
»Sie?«
»Ich!«
»Jetzt muss ich sowieso auflegen. Meine Söhne kommen gleich aus der Schule. Sie sind jeden Augenblick zurück!«
»Das ist jetzt sehr wichtig, Frau Professorin, wir müssen diese Studie jetzt zu Ende bringen, da hilft nichts! Wir müssen! – Meist haben wir nur Säufer und Hausfrauen an der Strippe, jetzt sind Sie als Studierte da, das wird unsere Studie verbessern! Denken Sie an die Objektivität! Bitte, geben Sie sich einen Ruck!«
»Also …«
»Um Gottes Willen, legen Sie jetzt bloß nicht auf!«
»In Ordnung, in Ordnung! Dann fangen Sie mal an. Aber schnell! Wenn meine Söhne kommen, dann lege ich auf! Das sage ich Ihnen vorher. Worum geht es denn nun eigentlich?«
»Um Politik. Um Biermischgetränke. Um Fertiggerichte und um Mode. Und um die Europäische Union. Also eher querbeet heute, von jedem etwas!«
»Na, dann los!«
»Müsste ich zuerst wissen, wie alt Sie sind.«
»Sechsundvierzig.«
»Und Sie sind weiblich, wie ich höre.«
»Ja.«
»Führen Sie den Haushalt hauptsächlich, ja oder nein?«
»Ja.«
»Welche Partei würden Sie wählen, wenn morgen Bundestagswahl wäre? SPD, CDU, FDP, Die Linke, Die Grünen?«
»Die Grünen.«
»Welche Partei haben Sie bei der letzten Bundestagswahl gewählt? SPD, CDU, FDP, Die Linke, Die Grünen?«
»Auch grün.«
»Zwischendurch müsste ich noch etwas anderes fragen: Wir würden Ihnen sehr gerne Ansichtsmaterial und Fotos zuschicken, um eine differenziertere Aussage von Ihnen über die Politik unserer Bundesregierung zu bekommen. Ihre Angaben bleiben völlig anonym. Wir würden Sie in den nächsten Tagen noch einmal anrufen, um das telefonische Folgeinterview führen zu können. Dazu würde ich jetzt gerne Ihren Namen und Ihre Postanschrift aufnehmen, damit wir Ihnen diese wichtigen Unterlagen kostenfrei zusenden können. Wären Sie bereit, Stellung zur aktuellen Politik unserer Regierung zu nehmen?«
»Natürlich!«
»Dann bräuchte ich zuerst Ihren Vornamen.«
»Britta.«
»Jetzt den Nachnamen, bitte.«
»Lind.«
»Die Straße?«
»Hiddenseestraße.«
»Die Hausnummer?«
»Einhundertzweiundzwanzig.«
»Und nun bitte die Postleitzahl.«
»Zehn, vier, drei, neun«
»Oh, Berlin! Schöne Stadt!«
»Pankow.«
»Die Telefonnummer noch bitte. Die kann ich hier nicht sehen, weil der Computer sie Ziffer für Ziffer willkürlich herstellt. Wie beim Lotto.«
»Nein, nein, das reicht, meine Söhne kommen in den Vorgarten. Ich sehe sie durchs Fenster.«
»Ach, Sie wohnen in einem Einfamilienhaus?«
»Ja.«
»Wann wäre Sie denn für das Folgeinterview mal ungestört?«
»Nächsten Dienstagabend, da fahren meine Kinder in die Ferien. Ich bin gegen achtzehn Uhr zu Hause.«
»Super! Dann sind Sie ganz allein! Und Sie wohnen in einem Haus ohne Mitmieter? Sind Sie Eigentümerin?«
»Ja, bin ich, wozu wollen Sie das denn wissen?«
»Ach, nur so. – Letzte Frage, bitte, versprochen! Handelt es sich um ein Reihenhaus oder um ein allein stehendes Haus?«
»Allein stehend.«
»Die nächsten Nachbarn sind fünfhundert Meter entfernt, hundert oder weniger?«
»Hundert.«
»Perfekt! Sie sind geschieden, Sie haben drei Söhne, Sie wohnen allein in einem Haus und Sie sind nächsten Dienstag allein zu Hause, um das Telefonat entgegenzunehmen. Die Nachbarn sind außer Hörweite.«
»Stimmt auffallend, aber warum betonen Sie das alles so?«
»Ach, nur für die Statistik, nichts weiter. – Ich entlasse Sie für heute! Noch viel Spaß mit Ihren Kindern.«
»Danke, bis Dienstag.«
»Bis Dienstag. Ich schicke den Prospekt sofort los!«
Was weiß die schon über Rimbaud? Professorin sein, aber keinen Vater für die Söhne haben! Noch so ein Krokodil, was weiß die schon von Arthur Rimbauds Mutter?
Jeden verdammten Sonntag musste der kleine Rimbaud hinter seiner Schwester zur Kirche dackeln. Ausstaffiert als Mädchen! Als Mädchen durch eine Kleinstadt. Na, die Mitschüler werden schön gelacht haben. Das Krokodil hat seinem Sohn alles Natürliche genommen, sofern es männlicher Natur war. So töten Mütter mit der Waffe Leben! Wenn man sie lässt! Sobald man sie lässt. Aber man muss sie ja nicht lassen! Man kann die Söhne ja vor ihren Müttern beschützen, wenn es die Väter nicht tun, weil sie bei der Erziehung abwesend sind. Die Väter denken, der Junge schafft das schon, aber er schafft es eben nicht allein. Die Väter müssen in der Nähe der Söhne sein, damit
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