French, Tana
»Du hast natürlich recht«, sagte ich. »Und wenn du da drunter
rauskommst und mich anguckst, entschuldige ich mich dreimal bei dir, Auge in
Auge. Aber ein Kissen bitte ich nicht um Verzeihung.«
Ich konnte
spüren, wie sie überlegte, ob sie mich noch länger bestrafen sollte, aber
Holly ist nicht stur - fünf Minuten sind ihre Obergrenze. »Ich muss dir auch
was erklären«, fügte ich sicherheitshalber hinzu.
Ihre
Neugier siegte. Nach einem Moment glitt das Kissen ein Stückchen zurück, und
ein misstrauisches kleines Gesicht lugte darunter hervor. Ich sagte: »Ich
entschuldige mich. Ich entschuldige mich zweifach. Und ich entschuldige mich
dreifach, Hand aufs Herz und Sahnehäubchen obendrauf.«
Holly
seufzte, kam hoch und schob sich Haarsträhnen aus dem Gesicht. Sie sah mich
noch immer nicht an. »Was ist passiert?«
»Ich hab
dir doch erzählt, dass deine Tante Jackie ein Problem hatte.«
»Ja.«
»Es ist
jemand gestorben, Schätzchen. Jemand, den wir gekannt haben, vor langer Zeit.«
»Wer?«
»Eine
junge Frau namens Rosie.«
»Warum ist
sie gestorben?«
»Das
wissen wir nicht. Sie ist gestorben, als du noch lange nicht auf der Welt
warst, aber wir haben es erst am Freitagabend erfahren. Alle waren ziemlich
erschüttert. Verstehst du jetzt, warum ich zu Tante Jackie musste?«
Ein
kleines einseitiges Achselzucken. »Kann sein.«
»Und heißt
das, dass wir uns den letzten Rest vom Wochenende doch noch zusammen
schönmachen können?«
Holly
sagte: »Ich sollte zu Sarah. Zum Ersatz.«
»Häschen«,
sagte ich. »Ich bitte dich hier um einen Gefallen. Ich wäre sehr froh, wenn
wir dieses Wochenende noch einmal von vorn anfangen könnten, ab da, wo wir
Freitagabend aufgehört haben, und so viele schöne Sachen zusammen machen, wie
wir können, bevor ich dich heute Abend zurückbringen muss. Wir tun einfach so,
als wäre zwischendurch gar nichts passiert.« Ich sah, wie ihre Lider zuckten,
als sie rasch zu mir rüberschielte, aber sie sagte nichts. »Ich weiß, ich
verlange viel von dir, und ich weiß, ich hab es nicht verdient, aber manchmal
muss man ein bisschen großzügig sein. Weil man nur so klarkommt. Könntest du
das für mich tun?«
Sie dachte
darüber nach. »Musst du wieder zurück, wenn noch mal was passiert?«
»Nein,
Kleines. Das ist dann Sache von Kollegen von mir. Egal, was passiert, sie
werden angerufen und müssen sich drum kümmern. Es ist nicht mehr mein Problem.
Okay?«
Nach einem
Moment rieb Holly rasch den Kopf an meinem Arm, wie eine Katze. »Daddy«, sagte
sie. »Tut mir leid, dass deine Freundin gestorben ist.«
Ich strich
ihr übers Haar. »Danke, Kleines. Ich will dich nicht anlügen: Es war bisher ein
ziemlich beschissenes Wochenende. Aber es wird langsam besser.«
Unten
klingelte es an der Haustür. Ich fragte: »Erwartet ihr jemanden?«
Holly
zuckte die Achseln, und ich sortierte meine Gesichtszüge, um Dermo ordentlich
einzuschüchtern, aber es war eine Frauenstimme. Jackie: »Hallo, Olivia,
furchtbar kalt draußen, was?« Eine leise, hektische Unterbrechung von Liv; eine
Pause, dann das leise Schließen der Küchentür und gedämpftes Gemurmel, als
beide einander auf den neusten Stand brachten.
»Tante
Jackie! Darf sie mitkommen?«
»Klar«,
sagte ich. Ich wollte Holly vom Bett heben, doch sie tauchte unter meinem
Ellbogen durch und hechtete zum Schrank, wo sie anfing, zwischen massenhaft
pastellfarbenem Zeug nach genau der Strickjacke zu stöbern, die sie sich in den
Kopf gesetzt hatte.
Jackie und
Holly verstehen sich blendend. Jackie und Liv auch, was mich überrascht und ein
wenig beunruhigt hat - kein Mann möchte, dass die Frauen in seinem Leben
befreundet sind, weil sie anfangen könnten, Informationen auszutauschen.
Nachdem ich Liv kennenlernte, habe ich lange gewartet, bis ich die beiden
miteinander bekannt machte. Ich weiß nicht, wegen welcher von beiden ich mich
schämte oder vor welcher ich Angst hatte, aber mir kam der Gedanke, dass ich
mich erheblich sicherer fühlen würde, wenn Jackie sich aus Abneigung gegen
mein neues Mittelschichtmilieu gleich wieder aus meinem Leben verzogen hätte.
Jackie zählt zu den Menschen, die ich am liebsten mag, aber ich hatte schon
immer die Gabe, Achillesfersen zu entdecken, meine eigene eingeschlossen.
Nach
meinem Weggang von zu Hause hielt ich mich acht Jahre lang fern von der
Gefahrenzone, dachte ungefähr einmal pro Jahr an meine Familie, wenn eine
ältere Frau auf der Straße Ma derart ähnlich sah, dass
Weitere Kostenlose Bücher