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Frettnapf: Roman

Frettnapf: Roman

Titel: Frettnapf: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Murmel Clausen
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Fernbedienung greift, um den LCD -Fernseher einzuschalten, breche ich die Stille.
    » Was hast du eigentlich in letzter Zeit?«
    » Was soll ich haben?«
    » Keine Ahnung. Aber warum bist du so fies zur Mama?«
    » Ich bin nicht fies.«
    » Ich finde dich kalt, abweisend und verletzend ihr gegenüber.«
    » Aha.«
    » Altersmilde ist es auf jeden Fall nicht.«
    » Jetzt red nicht so gescheit daher. Bei uns ist alles in Ordnung.«
    Damit wenden wir uns dem Fernseher zu. Es läuft der Testosteronkanal DMAX , auf dem entweder Autos gepimpt oder zerstört werden, Männer in unwegsamem Gelände Würmer, Wurzeln oder Wild fressen, falls nicht gerade eine Doku über gigantische Maschinen läuft. Jetzt soll eine Brücke gesprengt werden, ein » Monster aus Stahl«, wie der Sprecher sie nennt. Mich wundert es ein wenig, dass mein Vater sich diesen Mist ansieht. Da ich aber keinen Sinn darin sehe, weiter mit meinen Gesprächsversuchen zu scheitern, starre ich ebenfalls auf das schlecht eingestellte Bild und halte den Mund.
    Nach zwanzig Minuten ist die dämliche Brücke endlich kaputt und der Sprengmeister zufrieden, mein Vater offenbar auch, denn er steht auf und verlässt das Zimmer. Ich sehe mich im Raum um. Auf dem Tisch steht ein relativ neu wirkender Laptop, im Fernsehen beginnt die nächste Sendung, irgendwas mit Männern, die in Badehosen Haien, Krokodilen und Schlangen auf die Nerven gehen, während ich mich an den Rechner setze. Eigentlich nur, um mir diesen Quatsch nicht anschauen zu müssen.
    Ich klappe den Laptop auf und nehme noch einen Schluck Bier, nicht ahnend, dass ich gleich halb daran ersticken werde. Denn mein Vater hat den Internetbrowser offen gelassen und in vier Tabs Seiten von Online-Dating-Services geladen. Bei friendscout24 ist er als » eisenvater« unterwegs, bei love.de nennt er sich » Aporie« und auf dating.com » bazooka_joe«, was ich absolut nicht verstehen kann. Selbst bei der neuen Bumsbörse gibsmir.de ist mein Papa offenbar angemeldet. Dort wird damit geworben, mehr willige Singles als sämtliche Mitkonkurrenten zu haben. Was eine Lüge sein muss, hinter der nicht mehr als eine große Halde von Fakeprofilen steckt. Fest steht jedoch, dass mein Vater auf der dringenden Suche nach einem Seitensprung ist, eine Idee, die mich ratlos macht und die ich möglichst schnell wieder verdrängen möchte.
    Dass er überhaupt Bedürfnisse in diese Richtung hat, so etwas wie körperliches Verlangen oder sexuelle Lust verspüren könnte, habe ich eigentlich mein Leben lang ausgeschlossen, beziehungsweise aktiv aus meinem Gedankengut ausgeblendet. Er ist mein Vater. Der Mann, der gerade im Bad nebenan pinkelt. Dass er vor meiner Geburt mit meiner Mutter geschlafen hat– geschenkt. Ich habe auch kein Problem damit, dass zwischen den beiden vermutlich nicht alles rein missionarisch stattgefunden hat. Aber dass er nun, stramm auf die Siebzig zugehend, noch versucht, eine Frau zu finden, um sich mit ihr im Bett zu vergnügen– das geht einfach nicht.
    Vor ein paar Jahren musste ich mir mit meiner damaligen Freundin Natascha einen » sehr mutigen« Film über Senioren ansehen, die noch mal die Lust zwickt. Der Höhepunkt war eine Sexszene, bei der ich beschlossen habe, meine horizontale Aktivität in Würde mit meinem fünfzigsten Geburtstag einzustellen. Vorausgesetzt, dass man beim Thema Sex überhaupt irgendwas würdevoll machen kann.
    » Was tust denn da an meinem Computer?«
    » Wer? Ich? Nichts.«
    Mit einem schnellen Alt-F4 ist der Browser geschlossen, ein Tastaturkürzel, das ich blind beherrsche, seit ich mit Jessi zusammenwohne und nicht beim Prokrastinieren erwischt werden will. Ich stammle etwas von Virenschutz prüfen und nach Updates schauen. Eine reichlich dumme Entschuldigung, da sich mein Vater mit PC s bedeutend besser auskennt als ich, wie er mir auch, seinen Gürtel schließend, mitteilt: » Dir ist schon klar, dass ich mich mit Computer bedeutend besser auskenne als du.«
    Mein Papa war einer der Lehrer, die schon in den Achtzigern einen Computer hatten, damals einen Schneider CPC 6128, mit dem man einfach mal gar nichts machen konnte. Es gab zwar ein paar Spiele, doch an die kam ich damals nicht, da es in meinem Freundeskreis keine anderen Schneider-Besitzer gab. Wobei mich mein Vater wahrscheinlich so oder so nicht zum Spielen an den Rechner gelassen hätte. Und sein Angebot, mir Basic beizubringen, schlug ich dankend aus. Gott weiß, was für ein milliardenschweres IT -Unternehmen

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