Frettnapf: Roman
Judentum, weil die es halt echt nicht nötig haben, neue Leute anzuwerben.«
Da ich in diesem Moment meinen zweiten Whiskey serviert bekomme, verzichte ich auf einen Kommentar und trinke lächelnd weiter. Zum Glück hat damit auch Hondos Exkurs zu den Weltreligionen ein Ende gefunden, und er kommt wieder auf sein Buch zu sprechen. Tewje der Milchmann sei nämlich zu Beginn in einer ähnlichen Situation wie ich. Kein Geld, kein Plan, keine Perspektive. Mir ist schleierhaft, woher Hondo so genau über meine Situation Bescheid weiß, erkläre mir das aber mit Sven, der seinen Mitmenschen gerne vom Unglück und Leid anderer berichtet.
» Weißt du, was der Tewje dann gemacht hat?«, fragt Hondo, und ich schüttle den Kopf. » Er hat halt zufällig so zwei Frauen getroffen, die wo sich verlaufen haben. Und weil er denen hilft, bekommt der von denen halt ’ne Kuh. Die melkt er, verkauft die Milch und hat dann erst mal keine Sorgen mehr.«
» Großartig. Ihm hat das Schicksal geholfen.«
» Nein, die beiden Frauen.«
Die Versuchung, Hondo in eine Diskussion über Tewje, den Milchmann, zu verwickeln, ist zwar groß, da ich aber nicht mal beurteilen kann, ob seine Kurzfassung inhaltlich richtig ist, verzichte ich schweren Herzens darauf.
» Und was, glaubst du, soll ich jetzt machen?«
» Keine Ahnung. Aber wenn du irgendwo jemand siehst, der wo Hilfe braucht, dann hilf. So wie ich dir.«
Hätte ich eine Kuh, ich würde sie Hondo auf der Stelle schenken. Er hingegen erinnert sich nun an den Beginn unseres Gesprächs und bittet mich erneut, ihn auf seiner Mission Masseltov zu unterstützen.
» Ich werde tun, was ich kann. Aber bitte erwarte nicht, dass ich ebenfalls–«
» Kein Problem. Ich würde das auch nicht machen, wenn ich nicht schon beschnitten wäre.«
Dass darin nicht der Grund meiner Verweigerung liegt, spontan dem Volke Israel angehören zu wollen, lasse ich unter den Tisch fallen. Wenn Hondo das als Entschuldigung reicht, komme ich bestens damit zurecht.
» Gut, Hondo, dann hab ich gleich mal eine erste Frage: Denkst du, dass du deinen Namen beibehalten solltest?«
» Warum?«
» Na, er kommt aus Ägypten.«
» Die Juden auch.«
» Okay. Lass es mich so sagen: Er ist ägyptisch und bedeutet Krieg.«
» Echt jetzt?«
» Ja. Hab ich mal aus Langeweile nachgeschlagen.«
» Cool. Danke.«
Der gute Junge braucht tatsächlich Hilfe. Und da ich schon die ganze Zeit nach etwas suche, mit dem ich mich auseinandersetzen kann, da genau solche Herausforderungen meinen ganzen Lebensweg pflastern, idiotische Vorhaben, die niemals zum ersehnten Ziel geführt haben, beginne ich mich mit der neuen Aufgabe anzufreunden. Ich könnte immerhin viel über eine andere Kultur und Religion lernen, meinen eigenen Horizont erweitern. Vor dem türmt sich zwar gerade ein großer Berg eigener Probleme, aber die Verpflichtung, dem Nächsten zu helfen, besteht auch für einen halbgaren Agnostiker wie mich. Halt aus anderen Gründen.
Eine gute Stunde später wanke ich hinter Hondo durch seine Wohnung, wobei die Bezeichnung vollkommen untertrieben ist. Der ehemalige Bademeister hat einen Palast bezogen. Drei Meter zwanzig hohe Decken, Stuck, Eichenholzparkett und Räume, die nicht enden wollen. Insgesamt haust Hondo auf einhundertfünfundsiebzig Quadratmetern Wohnfläche, die sich über fünf Zimmer erstrecken und ihn gerade mal neunhundertfünfzig Euro warm kosten.
» Normal löhnst du für ’ne Bude wie die locker dreitausend«, erklärt er stolz, » aber wir Juden–«
» Schon klar. Ihr haltet zusammen.«
» Du lernst schnell.«
Zunächst präsentiert mir der Ex-Jugoslawe, Ex-Moslem und Ex-Christ seine Küche– Poggenpohl, versteht sich. Ich kann nur schwerlich meine Kiefer zusammenhalten, denn ich ahne schon, dass das Antonio-Lupi-Badezimmer die nächste Station unserer kleinen Tour sein wird. Hondo grinst sichtlich stolz in sich hinein, muss aber trotzdem weiter den religiösen Hampelmann mimen: » Pass auf. Neid ist Todsünde.«
» Passt doch. Mir ist gerade sehr nach Sterben zumute.«
» Warum? Du kannst das alles so benutzen, als wär das deins.«
» Doch nicht deswegen.«
» Ach, wegen deiner Perle? Das kriegen wir schon hin.«
War ja absehbar, dass Hondo sich auch gerne in mein voreheliches Beziehungsdrama einmischen möchte. Er, der noch vor einem halben Jahr Frauen als Bitches und Tussis bezeichnet hat, die nur Stress bedeuten, macht nun einen auf Paartherapeut.
» Weißt du, Aylin hat mir die Augen
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