Frettnapf: Roman
machen inzwischen viele. Ich nenne es Die kleine Fick-Tour, schreibe dazu ein Tagebuch im Internet, so ein Blogdings, und, ja, komm halt irgendwann wieder. Das ist super PR für das Gesöff.«
Ich bin erst mal sprachlos, ein Zustand, in dem es empfehlenswert ist, gar nichts zu sagen. Also redet Sven weiter: » Keine Sorge, ich hab das alles so geplant, dass ich bis zu eurer Hochzeit noch in bezahlbarer Flugnähe bin. Vermutlich irgendwo am Schwarzen Meer.«
» Wie? Du willst jetzt schon los?«
» Klar. Übermorgen, um genau zu sein. Deswegen finde ich es auch ganz nett, dass wir uns noch mal sehen.«
» Aber dir ist schon klar, dass Winter ist, oder?«
» Ja, ja. Das wird bis zum Schwarzen Meer ’ne harte Tour, aber danach wird’s ideal.«
» Wann hast du denn diesen ganzen Schwachsinn beschlossen?«
» Vor ein paar Wochen. Ich hätte dir auch davon erzählt, wenn du dich mal gemeldet hättest.«
Da ich diesen Satz nicht zum ersten Mal in meinem Leben höre (wenn auch das erste Mal von Sven), ignoriere ich ihn. Mir ist es schon immer schwergefallen, Kontakt zu Freunden zu halten. Besonders, wenn ich in einer Beziehung stecke. Ich und meine Zeit werden dann ziemlich exklusiv meiner Freundin gewidmet, und wenn diese schwanger ist und kurz darauf zu meiner Verlobten wird, erfordert das verständlicherweise meine gesamte Aufmerksamkeit. Seit jeher beschweren sich vor allem meine männlichen Bekannten, dass ich sie stiefmütterlich behandle– anstatt sich zu freuen, einen gleichgeschlechtlichen Konkurrenten weniger im Rennen um die paar akzeptablen Andersgeschlechtlichen zu haben. Dennoch schreit Svens vorwurfsvoller Unterton nach einer sofortigen Retourkutsche. Leider fällt mir ganz spontan keine ein.
» Top Plan«, erwidere ich stattdessen mau. » Dann kann ich ja für ein paar Tage bei dir die Wohnung sitten.«
» Nee«, antwortet Sven ernst. » Die ist ab morgen ein Biker-Point. Also, offen für jeden, der die Welt umradelt. Wir sind alle vernetzt, und so kann man in fast jeder Metropole weltweit umsonst übernachten.«
» Ach, komm.«
» Ich hab’s auch erst nicht geglaubt. Aber ich hab da ein Forum im Netz gefunden, in dem fast einhundert Freaks mitschreiben. Die meisten sind gerade unterwegs und stellen ihre Wohnungen oder zumindest ein Zimmer für die anderen bereit. Außerdem gibt’s da Karten, Wegbeschreibungen, Tipps für Unterkünfte– das ist der neue Jakobsweg.«
» Bedeutet das nicht, dass ich einfach bei dir pennen kann, wenn ich mit dem Fahrrad komme?«
» Nein, du Schwachmat.«
» Und das ist sicher? Ich meine, wenn du, keine Ahnung, ein Jahr unterwegs bist, dann schlafen ein Jahr lang immer wieder wildfremde Leute in deiner Wohnung.«
» Nicht wildfremd. Und ich penne ja dafür bei denen.«
» Tut mir leid, aber das klingt nach einer schlechten schlechten Idee. Verwaltet wenigstens irgendwer den Schlüssel, damit nicht jeder Penner in deine Wohnung kann?«
» Es gibt keine Schlüssel mehr. Wir haben alle dieselben Schlösser mit Zahlencode. Und der ist bei allen, die mitmachen, derselbe.«
Obwohl ich Sven schon immer für zu kurz entschlossen und unüberlegt eingestuft habe, überrascht mich seine Naivität doch immer wieder. Ich persönlich hätte bereits ein Problem damit, nur einen einzigen Unbekannten für lediglich eine Nacht in meine Wohnung zu lassen. Aber ich ekle mich auch von Urlaub zu Urlaub mehr vor Hotelzimmern und -betten. Selbst Bekannten auf Durchreise lege ich nur ungern eine Matratze ins Wohnzimmer, und verzichte im Gegenzug rücksichtsvoll darauf, mich selbst bei ihnen einzunisten, wenn ich mal in der Stadt bin.
» Das klingt alles ziemlich seltsam«, gebe ich Sven zu bedenken, doch das interessiert ihn nicht.
» Nein, ich lese und schreibe da seit Wochen mit– die sind echt alle total in Ordnung. Freaks eben. Und, ganz ehrlich, was sollen die in meiner Wohnung schon kaputt machen?«
» Ich halt mich da raus. Dass ich deswegen nicht bei dir pennen kann, finde ich trotzdem kacke.«
» Wohnen deine Eltern nicht irgendwo hier?«
» In Feldmoching.«
» Ist doch perfekt. Da fährt sogar ’ne U-Bahn hin.«
» Ja, aber wie du schon festgestellt hast, wohnen meine Eltern dort.«
» Verstehe. Und wenn du Hondo fragst? Der haust recht gediegen.«
» Was meinst du mit ›gediegen‹?«, frage ich, und wundere mich heimlich, dass mir der Möchtegern-Konvertit schon wieder als Gastgeber vorgeschlagen wird. Alles in mir schreit, dass es eine schlechte Idee
Weitere Kostenlose Bücher