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Frettnapf: Roman

Frettnapf: Roman

Titel: Frettnapf: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Murmel Clausen
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wäre, mit Hondo in einer WG zu leben– selbst wenn es nur für ein paar Nächte wäre. Länger kann Jessi mir den Zutritt zu unserer Wohnung ja nicht ernsthaft verwehren.
    » Der hat von irgendeiner Jüdin eine Vier- oder Fünf-Zimmer-Wohnung bekommen, spottbillig, für seine zukünftige Familie«, erklärt Sven, und ich bin baff. » Ruf ihn doch an, er mag dich schließlich.«
    Ich lehne dankend ab und lasse mich stattdessen lieber über Hondo und sein Vorhaben, umzuglauben, aus. Es gehört nämlich etwas mehr dazu, Jude zu werden, als einfach einem Rabbiner mit der Bitte, mitspielen zu dürfen, auf die Schulter zu klopfen. Man muss von ihm als Schüler angenommen, zwei bis drei, manchmal sogar zehn Jahre lang unterrichtet und von der gesamten Gemeinde als Mitglied akzeptiert werden. Vor allem aber bedarf es einer glaubwürdigen religiösen Motivation dahinter. Hat zumindest meine Recherche ergeben. Eine Jüdin zu heiraten und mit ihr jüdische Kinder zu zeugen, steht jedem frei. An diesem Punkt habe ich jedoch mein Gegoogel abgebrochen, weil mir das Thema Heiraten sofort Tränen in die Augen trieb. Hat gut getan, geht Sven aber nichts an.
    Statt sich nun mit mir über Hondos Wandel zu amüsieren, stellt Sven ihn zu meiner Überraschung als gelungenes Vorbild für mich hin. Er ist sich zwar nicht sicher, ob die Redensart » vom Saulus zum Paulus« in Hondos Fall angemessen ist, da er ja eher den umgekehrten Weg geht, also vom Paulus zum Saulus, rät mir aber dringend, den Kontakt zu meinem alten Bademeistermeister zu suchen. Ich freue mich über den doppelten Meister, bestehe aber darauf, erst mal in einer hondoreduzierten Umgebung in mich gehen zu dürfen. Sven nennt mich einen Idioten und legt auf.
    Ich will gerade in die U-Bahn nach Feldmoching steigen, als mein Telefon erneut bimmelt. Hondo ist dran und sagt, dass er mich selbstverständlich bei sich aufnehmen möchte. Sven hat ihm offenbar direkt nach unserem Gespräch von meiner misslichen Lage berichtet. Hondo erklärt, er sei Abrahams Gastfreundschaft verpflichtet und würde obendrein auch gerne ein Zeichen für die jüdisch-deutsche Freundschaft setzen. Meine Ausrede, schon bei meinen Eltern eingeladen zu sein, wird von ihm als antisemitistisch ausgelegt, und auf meine Korrektur des Wortes antwortet er nur: » Langweil mich halt, du Korrekturnazi.«
    » Entschuldige, Hondo, ich wollte dir nur helfen, weil es in deiner Gemeinde vielleicht komisch wirkt, wenn du Begriffe wie Antisemitismus falsch aussprichst.«
    » Was weißt du Nazikind schon von meiner Gemeinde? Wahnsinn, ey!«
    » Dann sag antisemitistisch, mir soll’s wurscht sein.«
    » Ja, und dann dem dummen Juden falsches Deutsch beibringe, ich glaub, es–«
    Bevor er sich weiter aufregen und mir noch mit einer fürchterlichen Folter- oder Todesart ( » Ich mach Schweinfutter aus dir!«) drohen kann, lege ich einfach auf und wünsche Sven in Gedanken Pest, Cholera und Mumps an den Hals. Und alle drei Kilometer einen platten Reifen.

Singlemesse
    »Die Single World 2001 stand unter dem Motto ›GenießeDein Single-Leben‹ und war ein Total-Flop.«
    Zwei Stunden später sitze ich im Wohnzimmer meiner Eltern und lasse die erste Predigt über mich ergehen: die meiner Mutter. Entgegen meinen Erwartungen echauffiert sie sich jedoch weniger über mein Versagen auf ganzer Linie als über Jessis Befindlichkeiten.
    » Wenn deine Verlobte jetzt schon so durchdreht, meine Güte, wie will sie dann die Strapazen durchstehen, die nach der Geburt auf sie warten?«
    » Ich glaube, dass das jetzt nicht an Jessi liegt, sondern dass sie einfach berechtigte Zweifel an der Tragfähigkeit meines Einkommensmodells hat.«
    » Junge, jetzt redest du schon wieder so, dass deine Mutter dich nicht versteht«, mischt sich mein Vater in gewohnt kränkender Art ein, was bei uns zu jeder gesunden Familiendiskussion gehört. Dass seine erste Beleidigung so früh gesetzt wird, ist allerdings neu, normalerweise dürfen wir mindestens zehn Minuten wirre Theorien aufstellen und Halbgehörtes mit unserem Viertelwissen mischen.
    » Außerdem geht es Jessi bestimmt nicht um dein Einkommensmodell. So einen Quatsch habe ich schon lange nicht mehr gehört«, watscht er verbal in meine Richtung weiter.
    » Dann erleuchte mich mit deinem Wissen, Vater.«
    » Ach, geh.«
    Damit erhebt sich der Herr und verschwindet in sein Zimmer im Dachgeschoss. Meine Mutter erklärt, dass er im letzten halben Jahr unausstehlich geworden ist. Genauer gesagt,

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