Frettnapf: Roman
ich sonst heute leiten müsste. Für meinen Vater steht seitdem auf jeden Fall fest, dass ich in Sachen Computer ein Versager bin.
» Dann lass die Finger davon, sind eh keine Spiele drauf.«
» Ja, stimmt. ’tschuldige.«
» Musst dich nicht entschuldigen.«
» Na ja, hätte ja sein können, dass du da Programme offen hast oder Dokumente, die mich nichts angehen.«
» Wieso?«, fragt mein Vater und setzt sich dann schweigend wieder auf die Couch. Ich starre weiter auf den Monitor, denn ich weiß, dass er weiß, was ich gesehen haben muss. Eine Hitzewelle fährt durch meinen Körper. Die Frage ist, ob ich es ansprechen werde oder einfach auf sich beruhen lasse. Er wartet förmlich darauf, dass ich resigniere und ihn sein kleines Flirtspielchen in Ruhe weitertreiben lasse. Im Grunde sollte ich das auch. Ich könnte mich damit trösten, dass er wenigstens nicht altersgeil Seiten wie youporn oder pornhub aufgerufen hat. Das hätte mich wirklich gegraust.
» Und sonst? Alles gut bei euch?«, versuche ich die unangenehme Stille zu brechen.
» Sicher.«
» Bei mir auch.«
Mit einem Mal ist mir wieder klar, warum ich hier nicht wohnen kann. Es ist diese vollkommene Unfähigkeit, miteinander zu kommunizieren, die fischerinterne Small-Talk-Behinderung. Sie hat mich damals nach dem Abitur dazu bewogen, schnellstmöglich auszuziehen. Und sie schlägt mir auch jetzt schon wieder auf den Magen, nach nicht mal zwanzig Minuten bei meinen Eltern.
Ich drehe mich zu meinem Vater herum und greife zeitgleich mit meiner rechten Hand nach dem Laptop, um ihn zu schließen, wobei ich leider zunächst gegen meine Bierflasche schlage, die umkippt und ihren Inhalt über die Tastatur des Rechners kippt. Der Computer ist offensichtlich keinen Alkohol gewohnt, gibt nur ein leises » bzzt« von sich und macht sich dann auf in die ewigen Datengründe.
» Oh, Scheiße!«
» Sag amal…?«
» Ich wollte nur…«
» Spinnst du?«
» Nein.«
Mit drei großen Schritten ist mein Vater neben mir und starrt auf das Desaster. Mir steigt die Schamröte ins Gesicht, genau wie damals, als ich mit meinem frisch erstandenen Führerschein sein Auto statt aus der Garage in die Garagenwand gesetzt habe.
» Man stellt doch kein Bier neben einen Computer!«
» Wieso?«
» Ja, deswegen!«
Papa hat den biertriefenden Computer inzwischen hochgehoben und hält ihn schräg, um die Flüssigkeit ablaufen zu lassen.
» Jetzt hol halt ein Handtuch.«
Ich verlasse das Zimmer, hadere für einen Augenblick an der Badezimmertür mit mir, und beschließe dann, dass es keine gute Idee war, bei meinen Eltern aufzuschlagen. Statt mit einem Handtuch zurück zu meinen Vater zu gehen, laufe ich die Treppe runter und verlasse das Haus.
Buchmesse
»›Ich finde es in der Ausstellung schön, da hat man keinen Stress‹, empfiehlt die 10-jährige Laila ihren Blog-Lesern die Münchner Bücherschau.«
» Ich würde gern mit dir reden, Jens. Hast du eine Haftpflichtversicherung? Wenn nicht, finden wir bestimmt eine Lösung. Ich bin schließlich dein Vater.«
Das ist inzwischen die dritte Nachricht, die mir mein Vater auf die Mailbox gesprochen hat. Vermutlich hat er seinen dämlichen Computer inzwischen hochkant auf ein Handtuch gestellt und versucht seine Eintrittskarte in die digitale Datingwelt trocken zu föhnen. Was würde er wohl machen, sollte er tatsächlich auf eine Frau treffen, die Interesse an ihm zeigt? Meine Mutter verlassen darf er nicht mehr, dagegen spricht alles, was er mir an Moral mitgegeben hat. Dennoch habe ich ein flaues Gefühl im Magen.
Ich bin gerade mit der U-Bahn in der Theresienstraße angekommen, nachdem ich reumütig Hondo kontaktiert habe, der nun im jüdischen Restaurant Schmock sitzen und Scholem Alejchem lesen wollte, einen der bedeutendsten jiddischsprachigen Schriftsteller, wie er stolz betonte. Meinen Vorschlag, ein gutes altes Fix und Foxi als Erkennungszeichen zu benutzen, hat er ignoriert.
» Wir kennen uns doch, da brauch ich kein Zeichen«, hat er gesagt, und dann noch irgendwas Jiddisches hinterher, was ich nicht verstehen konnte.
» Das war ein Witz.«
» Aber kein guter. Kennst du jüdische Witze?«
» Ja, alle«, habe ich gelogen, um nicht noch einen typischen Rabbiner-Schmunzler ertragen zu müssen, die in etwa so unerträglich sind wie alles von Heinz Erhardt. Klar, in den Fünfzigern und Sechzigern war das bestimmt komisch, heute schafft man es mit ulkigen Reimen und Wortspielchen jedoch nur noch maximal als »
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