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Frettnapf: Roman

Frettnapf: Roman

Titel: Frettnapf: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Murmel Clausen
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habe ich mich bislang nicht aufraffen können, einem dieser Abende beizuwohnen, obwohl es zwischen Schwulen, Lesben und Genossen sicher sehr fröhlich zugeht. Ich habe jedoch Angst, dort was Dummes zu sagen, sofort als der Politiknovize enttarnt zu werden und meine Stadtratskarriere zu beenden, bevor sie überhaupt auch nur ansatzweise hätte beginnen können. Wobei ich mich dann noch immer als schwul outen, mein Vorbeischauen als kleinen Scherz verkaufen und so halbwegs mein Gesicht wahren könnte. Auf jeden Fall ein guter Plan G oder H. Plan A ist noch immer mein Bewerbungsgespräch bei Hip FM , das morgen endlich stattfinden wird. B bis F stehen noch nicht fest.
    » Um aber noch mal ganz grundsätzlich zu verstehen, was jetzt Jessis Problem ist«, setzt Sven an, nachdem er mir zu dem Vorstellungstermin gratuliert und offenbar keine Lust mehr auf mein Jobgejammer hat. » Was genau hast du ihr denn erzählt?«
    » Na ja, dass ich eben mein beziehungsweise unser Leben nicht auf die Reihe bekomme«, antworte ich.
    » Das ist wirklich eine neue Kategorie von dämlich. Du hast ihr hoffentlich gleich danach gesagt, dass du schon einen Plan hast, wie du das alles geregelt kriegst.«
    » Nicht direkt«, gebe ich kleinlaut zu. » Eher das Gegenteil.«
    » Wow«, wowt Sven und starrt mich entrückt an. Womöglich hat er in mir eine neue, überirdische Beklopptheit entdeckt, eine Lichtgestalt der Idiotie, und hat seinen Körper verlassen, um mir zu huldigen. Da dieser Zustand einen Tick zu lange anhält, hole ich ihn zurück in die irdischen Sphären.
    » Danach habe ich dann schon noch gesagt, dass ich das irgendwie hinbiege.«
    » Aber da war es bereits zu spät. Und du bist sicher, dass du da jetzt dein Leben runderneuern musst? Könnte es nicht auch sein, dass sie schon zufrieden wäre, wenn du einfach mal versuchst, nur ein bisschen was zu ändern?«
    » Wie was zum Beispiel?«
    » Na, ein Hobby oder so.«
    » Vielen Dank, aber das Thema Hobbys ist für mich seit deiner Idee, Frettchen zu züchten, gegessen.«
    » Ich mein ja nur. Geh joggen, Fahrrad fahren oder spiel Tischtennis. Keine Ahnung. Irgendwas, das du durchziehen kannst.«
    » Nee, Sven, diesmal reicht es nicht, wenn ich Jessi erzähle, dass ich Jonglieren gelernt habe und am Ball bleibe«, beende ich diesen unsäglichen Hobbyexkurs und schlage vor, lieber in die Schmalznudel zu fahren und Aus’zogene zu essen. Die gibt es dort nämlich schon ab sieben Uhr morgens.
    Früher war das anders, da wurde jeden Tag die Holztür des kleinen Café Frischhut am Viktualienmarkt um fünf geöffnet, und man konnte nach jeder durchzechten Nacht neben Barkeepern, Türstehern und den Betreibern der Marktstände sitzen, um die letzten Momente des Rauschs mit einem Striezl und einem äußerst großen Haferl Milchkaffee zu genießen. Aber die Frühschicht lohnt sich nicht mehr, München klappt seine Gehsteige nun auch lieber noch später aus. Nur am Samstag um fünf, da weht noch der Wind des vergangenen Jahrhunderts durch die Räumlichkeiten. Dann riecht es nach Alkohol und Schweiß, und diese Mischung verleiht einer glorreichen Nacht den verdienten derb-bayerischen Nachgeschmack.
    Zum Glück feiern die jungen Menschen heute zum Ausgleich auch länger, und so nehmen wir an einem Tisch mit zwei Partyleichen Platz, Patti und Ingo. Beide sind so Anfang/Mitte zwanzig und ahnen bestimmt noch nicht, wie elend das Leben werden kann, wenn es auf die vierzig zugeht. Man muss sich vorstellen, dass ich hier schon Gast war, als sie gerade stubenrein wurden. Patti und Ingo haben sich gerade in der Milchbar kennen und lieben gelernt, was sie alle zehn Minuten durch– alkoholbedingt– etwas zu leidenschaftliches Küssen demonstrieren. Sie lecken sich förmlich die Mundhöhlen aus, was von Schmatzgeräuschen begleitet wird, wie ich sie nur aus amerikanischen Filmen und Serien kenne. Jessi und ich imitieren das Geräusch immer, wenn es im Fernsehen wieder mal zur Sache geht und wir keine Bereitschaft zum Sex verspüren. Es klingt wie das Kaugummikauen eines Zahnlosen.
    Während ich versuche, dem Geschmatze möglichst wenig Aufmerksamkeit zu schenken, starrt Sven die beiden Frischverliebten ungeniert an. Ich kann das nicht, denn die Lebensphase » unbeschwerte Zwanziger« ist die einzige, um die ich andere wirklich beneide. Sowohl diejenigen, die mittendrin stecken, als auch die, die sie noch vor sich haben. Es ist definitiv die beste Zeit des Lebens.
    Als ich so für mich darüber sinniere,

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