Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frettnapf: Roman

Frettnapf: Roman

Titel: Frettnapf: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Murmel Clausen
Vom Netzwerk:
würden sich an meiner Stelle aufraffen und alles in Bewegung setzen, um der Frau, die sie lieben, das Gegenteil zu beweisen. Umsetzen, was ich so großmäulig angekündigt habe. Ich hingegen fühle durch jeden von außen kommenden Zweifel an mir und meinen Möglichkeiten nur mein miserables Selbstbild bestätigt. Dass Jessi gerade nicht an mich glaubt, wird schon allein dadurch belegt, dass sie gar nicht erst versucht hat, mich zu beruhigen, umzustimmen, aufzubauen. Nein, stattdessen habe ich sie mit meiner großartigen Rede dazu getrieben, mich aufzugeben. Oder sich mit dem Gedanken anzufreunden, mich aufgeben zu müssen.
    Wogegen ich nun kämpfen muss, ist meine Selbstlähmung. Allein der Gedanke daran, dass ich Jessi verlieren könnte, ist so verheerend, dass ich vierundzwanzig Stunden am Tag damit beschäftigt sein werde, ihn zu verdrängen. Ich muss die Visionen von meinem Dasein als Alleinlebender und -sterbender in all seinen deprimierenden, beängstigenden Facetten ausblenden und mich darauf konzentrieren, meinen Arsch in Bewegung zu setzen, um irgendwas zu finden, das mir genug Sicherheit gibt, um meinen fehlenden Glauben an mich auf ein erträgliches, leicht verdrängbares Maß zu reduzieren. Etwas, das ich die nächsten zwanzig Jahre machen und ertragen kann, und von dem ich erhobenen Hauptes vor ihr behaupten kann, es gerne zu machen. Alles andere würde Jessi mir nicht durchgehen lassen. Ich habe keine Ahnung, was das sein soll, und bezweifle, dass es das überhaupt gibt. Wie könnte ein derart kurzsichtiger Plan die Lösung sein? Der Weg ist steinig, und er führt bergab.
    Zum Glück hat es nun im Flur gerumpelt, und ich stehe auf, um zu gucken, was los ist. Kaum habe ich die Tür zu meinem Zimmer geöffnet, sehe ich Sven, beladen mit zwei Fahrradtaschen und einem Rucksack. Wenigstens trägt er noch keine Radlerhose, diesem Anblick wäre ich in meinem vor Schlafmangel leicht delirösen Zustand nicht gewachsen. Ich trete vor, um meinen ehemaligen WG -Mitbewohner in unserer neuen Kurzzeit- WG zu begrüßen.
    » Morgen, alte Fischhaut.«
    » Was machst denn du hier? Ich dachte, du bist bei deinen Eltern«, grüßt er zurück.
    » Nee, das war mir nach einer halben Stunde mit meinem Vater zu anstrengend. Ich hab das auf vierundzwanzig Stunden hochgerechnet und eingesehen, dass ich in der Zeit wahnsinnig würde. Komplett.«
    Nachdem ich Sven erklärt habe, wie ich in Hondos Kajak gelandet bin, erzählt er mir von seiner kleinen Odyssee. Er wollte eigentlich heute losradeln, ab gen Osten, über Passau, Wien, Budapest bis zum Schwarzen Meer. Die ideale Startroute für einen Weltumradler, meint er, da es neben Flüssen immer leicht bergab geht. Was Unsinn ist, denn die Landmasse neben Flussläufen kann durchaus bergig und äußerst unwegsam sein. Svens Problem ist jedoch, dass er sich schuldig fühlt. Immerhin kam der Scheißtipp mit dem Ehrlichsein ja von ihm. Jetzt fühlt er sich für meine Misere verantwortlich und will mir helfen, alles wieder geradezubiegen.
    » Ganz egal, wie man es dreht und wendet«, erklärt er, » ich bin eine Art Schutzengel von dir.«
    » Das ist die verkehrtestmögliche Analyse unserer Beziehung zueinander.«
    » Warum? Schau dir doch mal die Verkettung an. Wie alles, was ich getan habe, sich bis zum heutigen Tag zu deinem Glück zusammenfügt. Ohne mich hättest du weder Jessi kennengelernt, noch wäre sie schwanger.«
    » Gut, aber ich halte es für einen Fehler, dass du meinetwegen deine Weltreise vertagst.«
    » Nein. Ein Fehler wäre es, einen Freund im Stich zu lassen. Meinen besten dazu.«
    Ich bin so gerührt, dass ich um ein Haar nicht mitbekommen hätte, dass er außerdem noch niemanden gefunden hat, der sich in seiner Abwesenheit um seine beiden Frettchen Idi Amin und Eva Braun kümmert. Das Weibchen ist zudem mal wieder schwer überfällig, sieht aus, als würde sie bald platzen und einen rekordverdächtigen Wurf in die Welt setzen – und das Geld für den Verkauf des Wurfs benötigt Sven allerdings noch dringend für seine Tour. Seine Selbstvorwürfe in Bezug auf mich scheinen sich also in Grenzen zu halten, und was den Wert unserer Freundschaft angeht, bin ich auch wieder ernüchtert.
    » Das ganze Züchten lohnt sich kaum noch. Die beschissene Wirtschaftskrise hat die Frettchenpreise in die Knie gezwungen. Inzwischen kriege ich nur noch hundert bis hundertfünfzig Euro pro Vieh.«
    » Mach ’ne Demo«, schlage ich vor, » oder sattle um auf Nerze.«
    » Vergiss

Weitere Kostenlose Bücher