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Frettnapf: Roman

Frettnapf: Roman

Titel: Frettnapf: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Murmel Clausen
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nicht aus. Denn sollte ich dann doch mal jemandem begegnen, von dem ich mehr erfahren will, komme ich mir so langweilig vor wie mir all die anderen. Eine Farce, vor der ich mich schütze, indem ich mich von neuen Bekanntschaften fernhalte und die alten mehr schlecht als recht pflege. An einem Geplänkel mit einer Frau, die mich derart kaltblütig abserviert hat, liegt mir entsprechend wenig, ich muss es jedoch ertragen, da ich ja den Kontakt gesucht hatte.
    » Und wie läuft’s beruflich?«
    » Och, wie immer. Hier ’ne Messe, da ’ne Messe, ich wurschtel mich eben so durch.«
    » Nervt dich das nicht?«
    » Klar. Aber, na ja, geht halt nicht anders. Und bei dir?«
    » Ich hab gerade bei Stellbrink & Partner gekündigt und, tadaaa, werde in drei Monaten auswandern.«
    Sie strahlt mich mit ihren frisch polierten weißen Zähnen an, erwartet vermutlich, dass ich jetzt interessiert nachfrage, wo’s denn hingeht. Ich tu ihr den Gefallen, um ihr zu signalisieren, dass ich ein guter Kerl bin, dem sie wirklich helfen sollte, und erfahre, dass sie mit ihrem neuen Freund in die USA zieht. Nach Cottonwood, Minnesota, wo auch immer das liegen mag. Schätzungsweise irgendwo in der Mitte des oberen Drittels der Staaten. Wobei das vollkommen egal ist, Amerika ist überall gleich, nur das Klima und die Vegetation variieren.
    » Krasse Sache«, kommentiere ich ihr Vorhaben.
    » Ja. Jeffs Familie wohnt dort. Sein Vater hat da eine kleine Firma, in der ich als Sekretärin einsteigen könnte. Für den Start. Cool oder?«
    » Super«, pflichte ich bei. Ich hatte ganz vergessen, dass Natascha Sekretärin war, hatte sie immer als Anwaltsassistentin abgespeichert, aber das nimmt sich vermutlich nicht viel. Ich male mir auch gleich aus, wie es wäre, wenn mein Vater eine kleine Firma hätte, in der ich oder Jessi helfen könnte. Ein kleiner Betrieb, den ich irgendwann übernehmen könnte, und der mir ein sorgloses Leben in Sachen Einkommen bescheren würde. Warum muss ausgerechnet ich ein Lehrerkind sein? Doch dann reißt mich ein Schlag auf die Schulter aus meinen Gedanken. Hinter mir steht Jeff. Ich weiß sofort, dass es Jeff sein muss, weil alles an ihm amerikanisch ist. Der quadratische Schädel mit dem markanten Kinn und Kiefer, die hohen Wangenknochen, vor allem aber seine wirklich schlechte Frisur. Amerikaner haben so gut wie nie modisch geschnittene Haare. Die Männer sind immer irgendwie geschoren, die Damen haben es seit dreißig Jahren nicht geschafft, sich von der grässlichen Kombination » Lockenwickler und Pony« zu trennen. Zu seiner miesen Frisur trägt Jeff einen Minnesota-Sweater, viel zu sportliche Nikes, beige Dockers und ein dämliches Maverick-Lächeln. Den Kaugummi wird er auf der Toilette ins Urinal gespuckt haben.
    » Hi«, begrüßt er mich und setzt sich mit einem Seufzer neben meine Ex.
    » Servus«, erwidere ich, und er lacht zu laut, wie all seine Landsleute.
    » Du bist also die Kerl, mit den Natascha fast geheiratet hat.«
    » Äh, wie?«
    » Na, komm, das wäre doch wohl der nächste Schritt nach der gemeinsamen Wohnung gewesen«, sagt Natascha.
    » Ach, so. Vielleicht, ja.«
    » Schön, dich zu treffen.«
    » Danke.«
    Großartig. Jeff mustert mich und lächelt die ganze Zeit weiter wie Tom Cruise, als würde er erwarten, dass ich nun auch was zu ihm sage. Gut, wenn er das wünscht.
    » Und du verschleppst sie jetzt in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten?«
    » Yes, Sir«, lacht Jeff, und ich bereue es, hier zu sein. » Meine Lady kann Arbeit haben mit meinem Vater, und ich bin bei die National Guard.«
    » Soldat?«
    » Nicht mehr. Jeff wird da jetzt mehr oder weniger im Büro arbeiten«, erklärt Natascha. » Rekrutieren.«
    » Klingt toll.«
    » Ja, ich war bei die Air Force, aber jetzt ist das vorbei.«
    Ich schweige, um nicht zu lachen. Natascha hat sich einen U. S.-Army-Trottel angelacht, einen, der für die wirren Wahnvorstellungen seiner Regierung und die praktischen Ressourcen des Mittleren Ostens sein Leben geben würde. Oder gegeben hätte. Er ist die upgedatete Version der früher bei uns stationierten Soldaten in der McGraw-Kaserne. Das waren noch Männer, die leidenschaftlich Frauen schwängerten, sich dann in die Staaten absetzten, um dann, dreißig Jahre später, von einem SAT 1- oder RTL -Kamerateam mit dem vergessenen Kind im Handgepäck wieder aufgespürt zu werden. Der neue US -Soldat macht das nicht mehr. Jetzt wird verschleppt und geheiratet. Und vermutlich in einigen Jahren

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