Frettnapf: Roman
geschieden und heimgeschickt, mir soll’s egal sein.
» Du hast Natascha gesagt, du brauchst eine Hilfe?«
» Ja, ihre«, erwidere ich etwas pampig.
» Und was verschafft mir die Ehre?«, fragt Natascha, die ganz offensichtlich Spaß daran hat, meine Reaktion auf ihren neuen Stecher mitzuerleben. Sie denkt vermutlich, dass ich mich gräme, eine wie sie verloren zu haben, ahnt nicht, dass in mir vierundzwanzig Stunden am Tag alles nach Jessi schreit. Ich will nur noch weg hier, weshalb es mir jetzt auch egal ist, ob Captain America zuhört oder nicht.
» Also, ich bin gerade dabei rauszufinden, was an mir irgendwie das Problem sein könnte. Sprich, was meine Verlobte–«
» Deine Verlobte?«
» Ja. Hatte ich das nicht erwähnt? Ich heirate auch. Also, ich will heiraten. Aber Jessi hat gerade ’ne kleine Krise, beziehungsweise wir.«
» Und wie kann ich dir da helfen?«
» Na ja, ich dachte, dass du mir vielleicht sagen kannst, was ich an mir ändern sollte. Warum hast du dich denn damals von mir getrennt?«
Damit werfe ich Natascha kurzzeitig voll aus der Bahn. Sie überlegt, wundert sich, grübelt und lacht auf, um die Peinlichkeit des Moments zu überspielen. Jeff schaut seine Verlobte skeptisch an. Doch dann erinnert sich Natascha endlich wieder.
» Ach ja, ich war damals doch für ein paar Tage in Berlin. Und da hast du mich angerufen und gemeint, dass ich dir fehle. Im gleichen Augenblick habe ich aber gemerkt, dass ich dich nicht vermisse. Also, gar nicht.«
» Weil ich langweilig bin«, hake ich nach, obwohl ich mich gerade sehr wundern muss. Dieser Trennungsgrund ist nämlich vollkommen irrational, eine Unverschämtheit sondergleichen. Ich kann mich nämlich sehr gut daran erinnern, dass sie eine saugute Zeit in Berlin hatte. Sie war in Clubs, hat Freunde getroffen, die sie lange Zeit nicht gesehen hatte, ist in Ausstellungen gegangen, shoppen, das ganze Programm eben. Sprich: Da war überhaupt keine Zeit, sich nach dem Freund in München zu sehnen. Einem unglücklichen, einsamen Eremiten, der ihretwegen mal wieder sämtliche anderen Kontakte zur Außenwelt gekappt hatte.
Ihr ist es damals aber so vorgekommen, als sei ihre Sehnsuchtslosigkeit ein Zeichen. Ihre Idealvorstellung einer Beziehung sieht nämlich so aus, dass man ohne den anderen nicht sein will. Dass es besser ist, sich sofort zu trennen, als weiter mit dem Gefühl zu leben, dass es einem nicht schwerfallen würde, auf den Partner zu verzichten.
» Das ist sehr viel wahr«, bestätigt Jeff, der Honk. » Oft weiß man, wie sehr es Liebe ist, erst, wenn man die andere vermisst.«
» Das setzt aber voraus, dass man überhaupt dazu in der Lage ist, sich so sehr auf einen Partner einzulassen«, setze ich dem entgegen und wundere mich laut, ob Natascha denn meine Vorgänger und Nachfolger mehr vermisst hat. Ihre Antwort ist ein sehr deutliches Ja, bei dem Jeff leise vor sich hin kichert. Ich werde hier vorgeführt, und das kann ich nicht akzeptieren.
» Dann hast du Jeff vermutlich auch tierisch vermisst, während wir hier in trauter Zweisamkeit gesessen haben?«
Statt mich und meinen gekränkten Stolz nun müde zu belächeln, kommt wieder nur ein Ja. Diesmal lacht sie jedoch auch leicht verschämt in sich hinein. Es ekelt mich an, wie turtelig die beiden sich verhalten.
» Darf ich es ihm zeigen?«, fragt Jeff endlich.
» Was?«
» Ein kleines Nachricht, das sie mir geschickt hat.«
Natascha schüttelt den Kopf.
» No, Jeff.«
» Come on. Er kennt dich doch von früher.«
» Ja, und das reicht mir auch.«
» Ja, Jeff, lass mal«, schalte ich mich ein. » Das passt schon.«
Ich möchte nicht sehen, was sie ihm geschickt hat. Ehrlich nicht. Wozu soll ich eine Nachricht lesen, in der Natascha ihm ihre Sehnsucht nach ihm mitteilt? Doch der Ami lässt nicht locker, beharrt darauf, mir die Nachricht zeigen zu dürfen. Natascha gibt irgendwann klein bei, betont aber, dass sie auf keinen Fall will, dass ihre Bilder noch andere zu Gesicht bekommen. Beim Wort Bilder horche ich auf. Was zum Teufel hat sie dem Idioten denn geschickt? Jeff holt sein Smartphone aus der Tasche, patscht darauf herum und präsentiert mir dann ein Foto, das ich erst nach einigen Sekunden erkenne. Natascha hat sich kurz vor meiner Ankunft selbst fotografiert. Genauer gesagt, nur einen Teil von sich.
» Ich wollte, dass er auch auf der Toilette an mich denkt«, gesteht sie, und ich erkenne, wie sehr sie sich nun dafür schämt.
» Und? Hat’s funktioniert?«,
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