Frettnapf: Roman
mal, es geht so: Du gibst mir fünftausend, und eine Woche später bekommst du zehn zurück. Oder nichts. Die Chancen dafür sind jedoch sehr gering.«
» Wie gering genau, wenn ich fragen darf?«
» Geringer als beim Roulette, würde ich sagen.«
» Also 60:40? Oder eher 80:20?«
» Sie sind gering.«
» Und wenn ich nur tausend Euro habe?«
» Dann kannst du wieder gehen.«
Das ist schlecht. Ich habe noch rund siebenhundert Euro auf dem Konto, die nächste Messe beginnt erst Donnerstag, vier Tage, da kommen auch nur zwei-fünf rein, und zwar auch erst in zwei Wochen. Hätte ich nicht meinen Dispo, wäre ich mehr oder weniger blank. Andererseits ist mir das hier eh nicht geheuer.
» Ja, nee. Dann geh ich besser«, sage ich.
» So wenig Geld?«
Ich nicke.
» Du kannst es dir auch verdienen.«
Für Hondo musste ich fünf Wochen lang Badeassistent sein und Anabolika an Bodybuilder verticken. Bülent hier macht den Eindruck, als würde er einen Auftragskiller suchen. Dass er damit bei mir an der falschen Adresse gelandet ist, muss ihm bei meinem Anblick eigentlich klar sein. Zu meiner Erleichterung fragt er als Nächstes, ob ich mich mit Buchhaltung auskenne, was ich verneinen muss. Ich erkläre kurz, was ich beruflich mache, und zu meinem Erstaunen scheint Bülent das auszureichen.
» Wenn du so tun kannst, als wärst du ein Vertreter von einer Firma, kannst du auch so tun, als wärest du Buchhalter.«
» Und warum soll ich das machen?«
» Es gibt da den unschönen Verdacht, dass bei uns, ich sag mal, Geld gewaschen wird. In der ganzen Branche. Deswegen haben wir immer wieder Buchprüfungen. Und ich brauch einen Deutschen, der sich dann als Buchhalter ausgibt. Das schafft mehr Vertrauen.«
» Wann?«
» Diese Woche.«
» Und dafür bekomme ich fünftausend Euro?«
» Wenn alles gut geht, ja.«
» Und das setzen Sie dann ein, damit es zehn werden?«
» Richtig. Mit einer sehr, sehr hohen Wahrscheinlichkeit werden es zehn.«
» Worauf würde ich denn wetten?«
» Auf Sieg.«
» Von…?«
» Vertraust du mir nicht?« Bülents Stimme gewinnt bei diesem Satz einen bedrohlichen Unterton.
Mit meiner tollen Phrase » Ich bitte Sie– sie ist eine sehr bemerkenswerte Erscheinung, aber ich habe nur Augen für meine Frau« kann ich mich nicht aus dieser Situation winden, und überlege schnell, welche Worte nun zu wählen sind.
» Unsinn. Sie trauen mir ja auch zu, einen glaubwürdigen Buchhalter abgeben zu können.«
» Korrekt. Aber ich sag mal, dass es mir nicht so wie dir gehen würde, wenn ich Scheiße baue.«
» Wir packen das schon«, zwinkere ich in Bülents kalte, regungslose Visage, mit der er einen glaubwürdigen Wettpaten abgibt. Ich schreibe ihm meine Handynummer auf, er erklärt mir, dass ich von nun an vierundzwanzig Stunden auf Stand-by bin, und ich lache, da es mir neu wäre, dass man rund um die Uhr damit rechnen muss, einen Beamten vor der Tür zu haben, der die Bücher einsehen will. Bülent lacht nicht mit, sondern kneift nur die Lippen zusammen. Dann raunt er mir zu, dass er nicht versteht, warum ich lache, und dass mir das bald vergehen könnte. Bisschen dick aufgetragen, aber, hey, er ist der Bülander. Es kann nur einen geben.
Im Seldmayr (oder sagt man » im Beim Sedlmayr«?) sitzt mein Vater gerade bei seiner ersten Halben. Wir sind hier früher oft hergekommen, weil er darauf besteht, dass es hier das beste Tellerfleisch überhaupt gibt. Nicht umsonst hat Jahrhundertkoch Eckart Witzigmann einen eigens für ihn dauerreservierten Tisch im Lokal, gleich neben der Küche. Ich persönlich bevorzuge eigentlich Böfflamott und Sauerfleisch, doch ich traue mich nicht, das in Anwesenheit meines Vaters zu bestellen. Er würde mich garantiert sofort eines Besseren zu belehren versuchen und spätestens beim Probieren, von einem gustofazialen Reflex begleitet, feststellen, dass ich einen Fehler begangen habe, schade um das schöne Geld. Ich wäre verpflichtet, sein Tellerfleisch zu kosten und ihm Recht zu geben, dummer Bub, der ich bin.
So bekommen wir unsere mit Brühe gefüllten Holzschalen, in denen das zarte Rinderschwanzstück unter einer Haube frisch geriebenem Meerrettich schwimmt, und schaufeln stoisch schweigend das Essen in uns hinein. Immerhin haben wir uns beim Warten schon etwas unterhalten, was ihm spürbar unangenehmer war als mir.
» Es ist jetzt ja nicht so«, erklärt er, » dass ich deine Mutter im Stich lassen würde. Ich werde auch in Zukunft immer da sein für
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