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Frettnapf: Roman

Frettnapf: Roman

Titel: Frettnapf: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Murmel Clausen
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sie, ganz egal, wie sich die Dinge entwickeln.«
    » Aha. Und was für Dinge entwickeln sich bei dir?«
    » Nichts Ernstes.«
    » Dafür wirkt’s aber recht ernst.«
    Mein Vater hat die Augen verdreht, sein Bier genommen und trinkend in die Ferne geblickt, gerade so, als säße ein Fremder und nicht ich bei ihm am Tisch. Trotzdem bin ich mit der Unterhaltung bisher ganz zufrieden: Er hat mich weder beleidigt, noch mich auf meine Probleme angesprochen.
    Mit dem letzten Löffel Brühe schaut mein Vater endlich wieder auf. Er schnauft aus und schlägt vor, noch den Apfelschmarren zu bestellen, aber nur eine kleine Portion, die große packen wir doch eh nie. Und ein Schnapserl. Mir soll’s recht sein, wenn es ihm endlich die Zunge lockert.
    » Schau, Junge, es ist halt so: Ich hab jemanden kennengelernt. Eine etwas jüngere Frau, sehr interessant, vor allem aber interessiert. Und ich glaub, dass ich das seit Jahren vermisse – das Interesse deiner Mutter an der Welt. Sie benimmt sich grad so, als sei eh alles ein Schmarrn.«
    » Da hat sie ja auch größtenteils nicht unrecht.«
    » Ich hab immer versucht, dass du dich mal für irgendwas begeisterst. Hättest auf mich gehört und früh mit den Computern angefangen, wärst du jetzt ein gemachter Mann.«
    » Mir geht’s gut.«
    » So schaust aber nicht aus.«
    Ich brauche bereits eine Verschnaufpause. So lange habe ich seit Ewigkeiten nicht mehr mit ihm geredet. Höchstens über Dinge, die er als beredenswert empfindet, sprich, Sport oder Politik. Wobei ich da meistens nur Zuhörer bin, maximal Stichwortgeber (mit Falschbehauptungen, die er dann korrigiert), was mein Desinteresse an diesen Dingen erklären könnte.
    » Die Sache ist jetzt die: Am Wochenende ist wieder irgendeine dämliche Messe, weißt du eh, und da explodieren jetzt schon die Zimmerpreise. Mei, und als pensionierter Lehrer muss ich schon wirtschaften.«
    » Du kannst immer gerne bei mir übernachten.«
    Der Vorschlag muss von mir kommen, wenn ich verhindern möchte, dass er noch länger um den heißen Brei herumredet. Oberstudienrat Fischer ist es nicht gewohnt, andere um etwas zu bitten, er wird gebeten, in diesem Fall darum, bei mir zu schlafen.
    » Das wäre wirklich sehr nett.«
    » Und auch kein Thema. Allerdings hab ich ebenfalls ein Problem: Jessi hat mich vor die Tür gesetzt, damit ich mal… Nein, das erzähl ich dir jetzt nicht. Auf jeden Fall gibt es gerade kein ›bei mir‹.«
    In mir kauert sich vorauseilend alles zusammen. Mein Vater wird das nicht unkommentiert lassen. Ich kann sehen, wie er sich windet, wie seine innere Stimme ihm befiehlt, mich zu belehren. Den verlorenen Sohn, der immer alles kaputt macht. Doch diesmal überrascht er mich, auch wenn es ihm sichtlich schwerfällt.
    » Das tut mir leid. Und wo schläfst jetzt du?«
    » Bei einem Bekannten. In einem Aufblaskanu.«
    Was nun geschieht, ist für mich fast unbegreiflich. Mein Vater lacht. Und zwar richtig. Es beginnt langsam und stotternd, wie ein Rasenmäher im Frühling, doch dann steigert es sich, nimmt Fahrt auf und will gar nicht mehr aufhören. Dabei klingt sein Lachen so erleichtert, dass er mich damit ansteckt. Gott allein weiß, wann es so eine Szene zwischen ihm und mir das letzte Mal gegeben hat; er sollte sie sich gut einprägen, denn ich bezweifle, dass wir zwei einen derartigen Moment so schnell wieder teilen werden.
    » Wir sind schon Spezialisten, oder?«, prustet mein Vater mir entgegen.
    » Irgendwo muss ich es ja herhaben«, antworte ich.
    Er nickt, lacht noch lauter, und da bricht mit einem Mal die Blockade zwischen uns. Ich fühle mich schlagartig befreit, empfinde plötzlich keine drückende Last in seiner Gegenwart mehr. Natürlich kann das auch am Bier und dem Willi liegen, den er bereits nachgeordert hat, aber das ist mir egal, denn insgeheim habe ich mich schon ewig nach einem unbeschwerten Abend mit ihm gesehnt. Genau gesagt, seit dem Weihnachtsabend, als ich ein Kettcar geschenkt bekommen habe, an dem er noch in der Weihnachtsnacht ein Seil befestigt hat, um mich durch die Straßen zu ziehen, bis zu einem Hotel, in dem wir eine heiße Tasse Kakao bekamen. Ich glaube nicht, dass wir uns groß unterhalten haben, ich war damals schließlich erst fünf Jahre alt, aber der Moment hat sich in meine Erinnerung eingebrannt, ganz wie der jetzige. Im Moment ist er einfach mein Vater, nicht mein Erzieher und Lehrer. Ich hoffe still, dass er diese Auffassung teilt und wir auf dieser Basis bis ans Ende

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