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Frettnapf: Roman

Frettnapf: Roman

Titel: Frettnapf: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Murmel Clausen
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unserer gemeinsamen Zeit weitermachen können.
    Wir trinken, und ich öffne mich auch, berichte von meiner ganzen Scheiße und Planlosigkeit. Sogar den Jerry, meine Radiokarriere, den Bülander und mein neues Engagement als Buchhalterdarsteller diskutieren wir. Papa sieht das als hirnrissige Aktion, rät mir aber weder ab, noch meint er sonst etwas dazu. Er ist den ganzen Abend über vollkommen meinungsbefreit, wertet nicht und lässt mich einfach mal ich sein. So sehr, dass mir beim Zuhören klar wird, was ich gerade wieder für einen Haufen Scheiße gebaut habe. Hätte mir jemand gesagt, dass ein Abend mit meinem Alten für mich eine therapeutische Wirkung haben könnte, ich hätte ihn bespuckt und ausgebuht.
    Wann ich beschlossen habe, meinen Vater mit zu Hondo zu nehmen, kann ich nicht mehr genau sagen. Es muss irgendwann zwischen seinem schwärmerischen Bericht über Linda und meinem Seriositätsbekenntnis passiert sein, in dem ich ihm versichert habe, dass ich in einem Jahr über meine heutige Lage lachen werde, so wie wir den ganzen Abend immer wieder gelacht haben. Und Schnaps bestellt.
    Um kurz nach elf verrät uns die resolute Bedienung dann schließlich, dass sie die Stühle um uns herum nicht grundlos auf die Tische gestellt hat, und fegt unsere blöden Kommentare mit einer saftigen Rechnung vom Tisch. Erstmals in unserer gemeinsamen Geschichte legen wir zusammen und wanken dann weiter, ab ins Baumhaus, die Bar, in der ich mit Sven vor wenigen Tagen war.
    Auf der kurzen Strecke muss mein Vater zweimal pinkeln, erst beim Inder ums Eck, dann beim Italiener neben der ehemaligen Wunderbar, und ich halte die zweite kurze Pause für den richtigen Zeitpunkt, Jessi endlich mal wieder zu erklären, wie sehr ich sie liebe. Per SMS , denn da nuschelt man nicht, sondern kann sich sehr viel Zeit lassen, um die verdammten Buchstaben in die richtige Reihenfolge zu bringen. Die fertige Nachricht lautete: » Ich liebe dich, ich bin ohne dich nichts, nicht mal der Trottel, der ich bin.«
    Ein toller Satz, für den ich mir im Rausch selbst applaudieren will, doch ich halte meine spontane Freude darüber zurück, da mir volltrunken durchaus schon unsäglich dumme Sätze aus dem Telefon gerutscht sind. Vielleicht stellt sich morgen nüchtern heraus, dass ich mir den Satz in der Form nur eingebildet habe, tatsächlich aber etwas wie » Ich libe dich2sheissekomm zurück zu mirasd ich will nahause« abgeschickt habe. Zumindest will ich noch Jessis Antwort abwarten. Die nicht kommt.
    Dafür kommen diverse weitere Getränke, es ist uns egal, alle Hemmungen sind buchstäblich fortgespült. Mein Vater nimmt mich sogar in den Arm, um mir zu sagen, dass er sich so eine Nacht schon lange mal gewünscht hat, was mich zutiefst rührt. Zu diesem Zeitpunkt kann ich ja nicht ahnen, dass wir noch ins P1 zu kommen versuchen werden, weil er dort schon seit Ewigkeiten mal hinwill. Meine Warnung bezüglich unseres Zustands und des Eindrucks, den wir beim Türsteher machen werden, ist ihm wurscht. Weniger dann die Überraschung, dass ihm einer seiner ehemaligen Schüler den Zutritt in den Club verwehrt.
    » Herr Fischer«, meint der Pfortenschrank trocken. » Ich kann sie leider nicht reinlassen. Kleidung sechs, Auftreten sechs, Alter sechsundsechzig.«
    Damit ist die Tür wieder zu und mein Vater schwer gekränkt. Er gibt zwar umgehend zu, dass er den Idioten hat durchfallen lassen, erklärt jedoch, dass das nicht aus Antipathie geschehen ist, sondern weil der Kerl einfach saumäßig faul und dumm war. Ich gönne dem Türsteher im Stillen die späte Retourkutsche.
    Statt ins P1 wanken wir also aus dem Taxi auf die Tür von Aylins Haus zu. Mein Vater besteht weiterhin darauf, nicht in sein Hotel zurückzukehren, will nur um neun Uhr geweckt werden, um rechtzeitig zum Auschecken hinfahren zu können.
    Die Treppen in die dritte Etage stellen schon mal keine große Herausforderung dar. Knifflig wird erst der Versuch, das altertümliche Schloss zu öffnen– bis mir einfällt, dass das, was ich die ganze Zeit für einen verrutschten Türspion gehalten habe, ein zweites Schloss ist, das es ebenfalls aufzusperren gilt. Nach drei Versuchen in beide Richtungen (und eine im Nachhinein nicht erklärbare Bonusrichtung) ist der Sicherheitsriegel gelöst und das Kanu nicht mehr weit.
    Mein Vater und ich kichern uns durch den Flur in mein Zimmer, und ich überlege kurz, ob ich direkt zu Hondo gehen sollte, um ihn über den neuen Mitbewohner in Kenntnis zu

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