Frettnapf: Roman
andere. Sofort schicke ich Sven eine Nachricht: » Häng du dich an Jessi, ich folge ihm!«
Ich sende sie gerade ab, da läuft Leo schon an mir vorbei. Ich hätte Sven anrufen sollen, statt auf sein dämliches Getexte einzugehen. Fünf Schritte weiter bleibt Leo stehen und dreht sich um. Er hat mich erkannt.
» Jens?«
Ich drehe mich auch um. Warum werde ich beim Beschatten eigentlich immer erkannt?
» Ach, hi. Leo!«
» Ich war gerade mit Jessi im Café da. Hast du kurz Zeit?«
» Äh, joa.«
» Super. Wo kann man hier noch hin?«
» Musst du danach in dein Hotel?«
Nicken.
» Dann ins Barista. Fünf Höfe.«
» Stimmt. Gute Entscheidung.«
Wahrlich. Vor allem aber eine, bei der ich zu einem unschlagbaren Stück Kuchen mit Puddingcreme und einem Kaffee wieder auftauen kann. Heute ist Junkfoodtag. Den ganzen Weg dorthin fragt mich Leo über alles Mögliche aus. Entweder um mir vorzugaukeln, dass Jessi nicht über uns gesprochen hat, oder um meinen Gang zum Schafott kurzweiliger zu gestalten. Denn es kann auch sein, dass er mir gleich mitteilen muss, was Jessi mir nicht persönlich sagen möchte: dass sie mit ihm die Stadt verlassen wird, um im Jetset als Globetrotterin mit ihm sein Vermögen zu verprassen. Nach allem, was ich über Jessis Beziehungen vor mir weiß, wäre das ein Happy End für sie.
Andererseits wäre es absolut nicht ihre Art, mich einfach so aufzugeben. Ich habe Mist gebaut, baue gerade weiteren, aber das sollte doch alles irgendwie verzeihbar sein. Wir sind schließlich normale Menschen, keine Protagonisten einer romantischen Komödie, in der ein Ex von ihr eine ernst zu nehmende Bedrohung für unser Glück darstellt. Ich sollte eine Trennlinie zwischen fiktionalen Stoffen und meiner eigenen Wahrnehmung der Welt ziehen. Schließlich stünde ich im Fiktionsfall jetzt auch nicht mit Jessi kurz vor der Ehe, sondern mit Maren. Eine romantische Komödie, in der ich vom Frett gezwickt einer Frau hinterherlaufe, um mich am Ende für diejenige zu entscheiden, mit der sie mich verkuppeln wollte, würde in Hollywood nicht produziert werden.
Es hilft, dass ich mir selbst gut zurede, und so bin ich im Barista einigermaßen gespannt, was Leo mir mitzuteilen hat. Weltbewegend wird es nicht sein. Weltzerstörend erst recht nicht.
» Ich habe vor, in München ein neues Projekt aufzuziehen, und hätte Jessi gerne in meinem Team«, verrät er mir schließlich, nachdem wir vegetarische Pasta und zwei Apfelschorlen bestellt haben, den Lunch der sozialen Mitte.
Ich überlege einen Moment, wo der Haken an der Sache sein könnte, finde aber keinen. Wenn auf Jessi nach ihrer Babypause ein Job wartet, ist das großartig.
» Sie würde auch gerne, weiß aber nicht, wohin sich eure Beziehung gerade entwickelt. Gibt’s da Ärger?«
» Ja, kann man so sagen.«
» Tut mir leid, das zu hören. Ich kenne sie ja schon etwas länger und weiß, dass sie kompliziert sein kann.«
» Inwiefern?«
» Na, komm«, fordert Leo mich heraus, etwas Schlechtes über Jessi zu sagen. Mir fällt jedoch nichts ein. Was damit zusammenhängen kann, dass wir uns eben erst seit sechs Monaten kennen.
» Nee, ich bin gerade derjenige, der kompliziert ist.«
» Das hat sie auch gesagt. Aber du kriegst das doch hin, oder?«
» Ich hoff’s«, antworte ich und will mich gleich anschließend in den Hintern treten. Genau das will Leo doch hören.
» Wenn ich irgendwie helfen kann, dann sag Bescheid. Bei mir und meiner Frau war es auch ein höllisches Auf und Ab, bis wir endlich vor dem Altar gelandet sind. Aber anders lernt man sich auch nicht kennen.«
» Du bist verheiratet?«
» Seit sechs Jahren. Glücklich.«
» Kinder?«
» Drei«, lacht Leo. » Reicht dann auch. Obwohl, ich wollte immer eine Tochter. Vielleicht versuchen wir es noch mal.«
Das Leben scheint es gut mit mir und meinen Gegenspielern zu meinen. Denn so sehr ich sie zu hassen wünsche, machen sie mir das doch unmöglich. Erst Ralf, der zwar sehr dröge ist, gerade deswegen aber zu Maren passt, und nun Leo, der lebenslustige Millionär mit Sinn für Familie.
» Dann hat Jessi deshalb fünf Sterne in deinen Kontakten, weil sie die Topbesetzung für den Job ist?«, frage ich unverblümt. Leo hält inne, um sich zu wundern, woher ich die Kontakte seines Handys kenne.
» Als du es liegen gelassen hast, kam die SMS wegen dem Brunch heute.«
Er zählt eins und eins zusammen. » Dann war es kein Zufall, dass ich dir in die Arme gelaufen bin. Du hast gedacht, dass
Weitere Kostenlose Bücher