Frettnapf: Roman
das Gesicht knochig und hart. Über dem rechten Auge erinnert eine Narbe an einen Kampf oder Unfall, vielleicht auch einen Krieg. Doch er ist derjenige, der mit mir kommuniziert, nachdem ihm Weißstreifen und Gelbverschluss ein paar mir fremde Worte zugeflüstert haben.
» Gut, gut. Gute Zahlen. Oder was sagst du?«
» Ja, doch. Sehe ich auch so.«
» Und warum?«
Meine Kehle ist wie zugeschnürt. Ich habe keine Antwort auf die Frage. Mir fällt spontan nichts ein. Ich schlucke, atme durch und ergebe mich.
» Ich weiß es nicht. Ich sage einfach nur, was Sie sagen.«
Ich sieze Bart, diesen brutal wirkenden, eiskalten Billigturnschuhträger, gegen den sogar ein Hondo lammfromm wirkt. Bart übersetzt meine jämmerlichen Sätze, Weißstreifen und Gelbverschluss keuchen ein paar Lacher in meine Richtung.
» Ich frage nur, weil ihr pleite seid, wenn das stimmt, was hier steht.«
» Ja.«
» Stimmt es?«
Ich nicke eifrig, denn das würde bedeuten, dass hier eher kein Geld gewaschen worden ist. Geld von Menschen, die Bart nicht mag, folgert mein gestresstes Hirn.
» Gut.«
Bart winkt mit seiner rechten Hand in meine Richtung, worauf die beiden anderen mit ihren Plastiktüten zu mir kommen und den Inhalt auf Bülents Schreibtisch kippen. Es ist Geld. Mehr Geld, als ich je gesehen habe, sprich weit über siebentausendzweihundertdreißig Euro. Damit hat sich mal ein Bekannter ein gebrauchtes Auto gekauft und mich mitgenommen, damit ich im Anschluss sein Altfahrzeug zum Verschrotten fahre. Gelbverschluss verlässt danach kurz den Raum, um noch zwei weitere Tüten hereinzubringen.
» Das sind einhundertdreißigtausend.«
» Soll ich das nachzählen? Oder einen Beleg schreiben?«
» Nein, glaub es mir.«
» Gut.«
» Arbeite es in das Buch ein. Wir warten an der Bar.«
Bart reicht mir das schwarze Buch, dann verlassen er und seine zwei Handlanger Bülents Büro. Mir fällt ein Stein vom Herzen– ich lebe noch, ich bin schmerzfrei, bis jetzt läuft mein Auftrag gut. Die Chancen, dass ich mir heute fünftausend Euro verdiene, sind allerdings mit der neuen Aufgabenstellung von Bart extrem gesunken. Ich kann keine Zahlen, nicht mal die eigene Steuererklärung bekomme ich hin. Schon das Vorsortieren meiner Belege ist eine Herausforderung, der ich kaum gewachsen bin. Meinen Steuerberater freut’s, mich macht es fertig. Die einfachste Aufgabe der Welt, einmal die Woche für drei Minuten meine vier Belege in einen Ordner zu stecken, ist für mich unlösbar. Einhundertdreißigtausend Euro in ein schwarzes Buch voll verwirrender Zahlenreihen zu arbeiten, nein, da lasse ich mir lieber von den fünf Joggern an der Bar ein paar aufs Maul hauen. So arg kann es nicht sein, Serkan sah bestimmt schlimmer aus, als er sich selbst gefühlt hat. Schmerz geht vorbei, man vergisst nur in der Phase, in der es weh tut, wie man sich ohne ihn gefühlt hat, und bezweifelt, dass man sich je wieder normal fühlen könnte. Das ist bei Grippe so, das wird bei einem blauen Auge nicht anders sein.
Ein rückversichernder Blick in das schwarze Buch bestätigt meine Vermutung, dass es nur Zahlen enthält, deren Anblick mich sofort schwindelig macht. Ich stehe auf, gehe zur Tür, atme tief ein.
» Ich schaffe das nicht auf die Schnelle«, verkünde ich, als ich Bart und Co. entgegentrete. Bart mustert mich.
» Wenn du das nicht machst, schneiden wir dir die Eier ab.«
» Bringt nichts, da hat mir vor einem Jahr ein Frettchen reingebissen und mich kastriert.«
» Außerdem ist er schwul«, fügt Serkan hinzu, der mit seiner Homophobie mal wieder ein paar Sympathiepunkte zu erhaschen sucht.
» Was hast du gesagt?«
Da Bart weder Serkan noch mich ansieht, meine Geschichte aber einen höheren potenziellen Erklärungsbedarf in sich birgt, antworte ich.
» Also, das war ’ne blöde Geschichte.«
» Ich meinte den da.« Bart deutet auf Serkan. » Ist der blöd?«
» Keine Ahnung.«
» Und bist du schwul?«
» Nein.«
» Dann lügt er.«
» Na ja, er findet das lustig.«
» Ich nicht«, meint Bart und gibt seinen Schergen ein Zeichen, die sich sofort Serkan schnappen und über die Bar zerren. Dazu sagt Bart etwas mit » itsch« am Ende, und ich drehe mich weg, weil ich nicht mit ansehen will, was jetzt passiert. Ich fand schon als kleiner Junge die lustigen Homevideos nicht amüsant, in denen Kinder Medizinbälle auf den Kopf geschmissen bekommen, mich widern die Nachrichten privater Fernsehsender an, die in einem zweiminütigen Beitrag
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