Frettnapf: Roman
fünfmal zeigen, wie Jugendliche einen Fremden halbtot schlagen– da kann ich auf eine Live-Schlägerei gut verzichten. Erst rumpelt es gewaltig, dann folgt ein Klirren. Und dann steht plötzlich Bart vor mir.
» Eine Woche, dann sind wir wieder da. Sag Bülent, es tut uns leid, aber der Scheißkerl hat es verdient.«
Dafür bekommt Bart von mir zwei erhobene Daumen, des Buchhalters maximales Zustimmungsbekenntnis. Hinter ihm fliegt Serkan gegen die Scheibe des Café Benz, ich bin sicher, sein Flug hatte eine Landung auf dem Trottoir als Reiseziel, wurde aber mit einem lauten » Plonk!« von der Scheibe abgefedert. Bart ruft seinen Schlägern etwas zu, dann verlässt er mit ihnen das Café Benz. Ich laufe zu Serkan, der malträtiert auf dem Boden liegt, versuche mich an meinen ersten und letzten Erste-Hilfe-Kurs zu erinnern, stabile Seitenlage, keine Ahnung, wie das ging. Arm knicken, drehen, das obere Bein stützend anwinkeln, oder so. Während ich das versuche, rede ich auf Serkan ein, sage ihm, dass der Schmerz vorbeigeht, es wird alles gut. Und schon denke ich an Leo.
Da Serkan atmet, lasse ich erst mal von ihm ab, um nachzusehen, wo Bülent steckt. Sein Auto steht nicht mehr vor der Tür, er muss sich aus dem Staub gemacht haben. Also frage ich Serkan, ob ich den Notarzt rufen soll, er stöhnt: » Nein. Geht schon. Eis, hinter der Bar.«
Mein Handy klingelt, als ich Eiswürfel in einen Champagnerkühler schaufle, Sven meldet sich mit einem Update. Jessi sei grade ins Eisbach gekommen und habe sich zu einem wirklich attraktivem Kerl gesetzt, einem, der im Vergleich zu mir, also, echt.
» Sven! Stop! Ich weiß, wie er aussieht. Er ist perfekt. In den muss man sich verlieben. Und ich kann nur hoffen, dass genau das seine Schwäche ist.«
» Versteh ich nicht.«
» Vielleicht ist er sich zu gut für eine Beziehung. Für Monogamie, ein geordnetes, spießiges Leben, wie meins im Grunde ist.«
» Oder er sehnt sich danach.«
» Das ist jetzt nicht grade hilfreich. Warte kurz.«
Ich reiche Serkan den edlen Eimer voll Eis. Er hat sich inzwischen aufgesetzt und scheint langsam wieder zu sich zu kommen, denn er schaut mich an.
» Du hast gelogen! Du bist es doch!«
Ich überlege kurz, was er meint, und komme drauf, dass er mich gerade von Leo schwärmen gehört hat. Kein Wunder also, dass er seine Schwulenvermutung fälschlicherweise bestätigt sieht.
» Nein, ich spreche von einem Typ, der gerade mit meiner Freundin unterwegs ist und sie mir vielleicht ausspannt.«
» Was?«
» Jens? Mit wem redest du?«, fragt Sven am Telefon.
» Mit einem Bekannten. Warte«, antworte ich.
» Darf ich ihn für dich aufmischen?«, bietet Serkan an, und ich bin überfordert. » Ich brauche das jetzt, ich schwör.«
» Nein, Serkan. Lass gut sein. Und entschuldige, dass ich nicht schwul bin.«
» Is okay.«
» Also, da liegen hundertdreißigtausend Euro auf Bülents Tisch. Keine Ahnung, wo ihr so was aufbewahrt. Ich will damit aber nichts mehr zu tun haben, richte Bülent aus, dass er das in seine Bücher einarbeiten soll, ich kann das nicht. Und dass ich kommende Woche noch mal vorbeischaue, wenn Bart und die Joggingbubis wiederkommen.«
» Wer?«
» Die Typen.«
» Okay.«
Das sollte reichen. Ich habe ihn mit Eis verarztet und ihm alles andere übergeben. Zeit, den Laden zu verlassen.
Spionagemesse
»Die ISS World MEA ist die wohl verschwiegenste Messe der Welt– veranstaltet in edlen Hotels, abgeschirmt von Publikumsverkehr und Journalisten.«
» Er hat jetzt nach der Rechnung gefragt«, lautet Svens letzte SMS , die gut zehn Minuten alt ist. Mir ist saukalt, weil ich seit rund zwei Stunden zwischen Marstall, Max-Planck-Gesellschaft, Hofgarten und dem Brenner hin und her laufe. Dort habe ich mich zwischendurch auch mal aufgewärmt, ein anderes Mal in Instituto Cervantes, dem Spanischen Kulturreferat, wo man mir gleich einen Spanischkurs verkaufen wollte. Ich habe ein paar Flyer für Sven eingesteckt, vielleicht hat er ja Lust, noch ein Vierteljahr in der Stadt zu bleiben.
» Sie gehen!«
Ich stehe spionagemäßig ideal bei ein paar Bäumen und kann den Eingang des Café Eisbach gut sehen. Jessi und Leo kommen heraus, wechseln ein paar Worte, dann gibt es ein Bussi und eine Umarmung. Das alles wirkt so freundschaftlich und sexuell unaufgeladen, dass es nur eins bedeuten kann: Fünf-Sterne-Jessi und Leo Lädt-alle-ein gehen getrennte Wege.
Und so kommt es auch. Leo läuft in meine Richtung los, Jessi in die
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