Frettnapf: Roman
zu warnen!«
Er schmeißt die Wohnungstür hinter sich zu, und aus der Küche schallt immer wieder Aylins lautes » Warum? Warum? Sag es mir! Warum?« bis zu mir.
» Er lügt. Der spinnt, Aylin. Echt! Ich schwöre!«
» Geh weg! Lass mich. Stirb einfach, du verlogener Dreckskerl!«
Das geht mir eine Spur zu weit, selbst für eine streitende Jüdin. Gut, meine Vorstellung vom schroffen interhebräischen Umgangston stammt vor allem aus der Serie » Curb your Enthusiasm«, die auf Deutsch aus unerklärlichen Gründen unter dem Titel » Lass es, Larry« kostenpflichtig über UMTS bei vodafone gesehen werden kann. Die DVD s aus England zu bestellen war unkomplizierter und sicherlich schneller. Ich will damit auch nur sagen, dass mein Bild stereotypisiert sein könnte. Doch selbst darüber schießt Aylins Wut gerade weit hinaus. Ich habe einen kleinen Zeitpuffer und bin Hondo gefühlt was schuldig. Also gehe ich zu den beiden in die Küche.
» Warum würd ich das machen? Und wie soll ich das schaffen?«, schreit Hondo, als ich die Küche betrete.
» Was weiß denn ich! Weil sie jung und bildhübsch ist?«
» Aber das ist deine Tochter, Aylin!«
Eins und eins kann auch ich ganz gut, nicht nur Leo. Der Nachbar hat Hondo und Malea erwischt. Musste ja früher oder später so kommen. Dass er das Aylin erzählt, ist jedoch hinterfotzig. Endlich bemerkt Hondo meine Anwesenheit.
» Hey, er kann’s bezeugen!«
» Ich kann was?«
» Du warst doch auch oben, vorgestern, wie der so laut gebumst hat.«
» Äh, ja, stimmt.«
» Jens dachte nämlich auch, dass ich mit Malea rumsexe, und ist dann gleich hochgekommen, weil Vater Abrahams so laut war.«
Aylin schaut zu mir, dann wieder zu Hondo. » Wenn selbst dein Freund glaubt, dass du mit meiner Tochter–«
» Das war dumm von mir, Aylin. Und ich würde mich dafür gerne entschuldigen. Bei dir, bei deiner Tochter und bei Hondo.«
Drauf geschissen, dass ich Malea nackt durch ihre Wohnung habe laufen sehen. Hondo wirkte definitiv nicht so, als wäre er gerade aus ihrem Bett gekrochen. Wobei, vielleicht war er auch auf dem Weg hinein.
» Ich hab ihr die Dusche repariert, weil das Scheißeteil in alle Richtungen gespritzt hat. Mehr nicht!«, löst Hondo ungefragt das Rätsel, warum ich eine nackte Malea sehen musste. Durfte. Konnte.
» Und ganz ehrlich, Aylin, würdest du Malea das zutrauen?«, werfe ich ein.
Die erste vernünftige Frage in diesem Streit, wage ich zu behaupten. Hondo nickt mir zustimmend zu, Aylin reagiert jedoch nicht sofort. Sie schweigt und denkt nach.
» Ihr bleibt hier«, sagt sie schließlich und verlässt die Wohnung.
» Ey, was geht mit dem alten Arsch? Ist der weich, oder was? Hat der altes Viagra geschluckt?«
Hondo ist empört, schockiert, außer sich. Ich hingegen bin angespannt und nervös. Er, weil ihm böswillig unterstellt wird, die Tochter seiner Freundin zu beglücken. Ich, weil ich es gleich nicht mehr pünktlich ins Studio schaffen werde.
» Setz dich«, sagt Hondo und kommt damit meinem Versuch zuvor, mich zu verabschieden. » Ich brauch jetzt ein Freund da. Erzähl, wie ist dein Deal mit Bülent gelaufen?«
Er hat mich Freund genannt, und damit fängt man mich. Vor allem, wenn man mir den Begriff so unbedarft wie Hondo an den Kopf wirft. Ich setze mich und erzähle ihm von meinem Kurzauftritt als Buchhalter. Hondo freut sich wie ein kleines Kind über meine bildhafte Schilderung der unangenehmen Begegnung mit Bart und Konsorten. Er hat den– wie ich erfahre– ukrainischen Geldboten auch schon kennengelernt, allerdings in einem anderen Etablissement, in dem die Abrechnungen ebenfalls danach schreien, mit Zuschüssen aus dunklen Quellen angereichert zu werden. Hondo war nämlich für ein paar Jahre Barkeeper in einem Bordell in Schwabing Nord, bis er sich in eins der Mädchen verliebt hat und ziemlich übel von Barts Bande zugerichtet wurde. Deswegen rät er mir auch, Bülent samt seiner Kohle abzuschreiben. Und er entschuldigt sich bei mir. Wenn er gewusst hätte, dass die Ukrainer in Bülents Café aufschlagen würden, hätte er mich dort sicher nicht hingeschickt.
Die Zeit rast nur so an uns vorbei, und es ist kurz vor acht, als Aylin in Begleitung von Malea zurückkehrt. Die beiden postieren sich vor Hondo und mir. Wir beide schweigen und warten ab, was sie zu sagen haben.
» Jens«, beginnt Aylin. » Stell dir vor, du wärst Hondo. Mit welcher von uns beiden würdest du lieber zusammen sein?«
» Was soll denn das
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