Frettnapf: Roman
notieren, die sich meines Wissens auf eigene Faust ihre Jobs beschaffen. Sie anzurufen bringt nichts, da die meisten gerade draußen in Riem sein werden und irgendwelchen Schmarrn lobpreisen.
Kaum habe ich fünf starke Kandidaten (noch ein K!) zusammen, überlege ich mir halbherzig eine Strategie, um sie von meinem Wert zu überzeugen, immerhin muss ich meine anvisierten zehn Prozent Provision ja rechtfertigen. Es ist so öde, dass ich mich gelangweilt in ausufernden, belanglosen Diskussionen unter irgendwelchen Facebook-Status-Updates festlese und meine Aufmerksamkeit gezielt verschenke, nur um nicht weiter über die Agentursache nachdenken zu müssen. Dann entscheide ich, dass ich in Sachen Arbeit eine Eingewöhnungsphase brauche, in der ich maximal eine Stunde pro Tag in der ersten Woche, zwei in der zweiten daran schufte, bis hin zu acht Stunden in… ja, doch, acht Wochen, wenn ich mich nicht verrechnet habe. Wie schon erwähnt, Zahlen sind nicht meine Stärke.
Kaum ist dieser Entschluss gefasst, werde ich von Sven abgelenkt, der aufgeregt in mein Zimmer gerannt kommt (jetzt nenne ich eine schlecht sortierte Bibliothek schon mein Zimmer!). Sein Fahrrad ist weg!
» Irgendwer hat Hondos Keller aufgebrochen und es gestohlen!«
» Ach, du grüne Neune!«, will ich in sein Entsetzen einstimmen, halte mich aber gerade noch zurück. Wenn ich das sage, weiß er sofort, dass ich ihm was vorspiele, obwohl ich mir selbst durchaus zutrauen würde, in einer vergleichbaren Situation ganz authentisch etwas derart Dummes auszurufen. Oder wäre es normal für mich, wenn ich cool bleibe und ihm ein paar logische Fragen stelle? Wo er das Rad zuletzt gesehen hat, ob er betrunken damit unterwegs gewesen sein könnte, und ob er den Keller auch gründlich durchsucht hat. Es weiß schließlich kein Mensch, dass ich mir sein Rad geliehen habe, um es anschließend einem Fremden in die Hand zu drücken.
Nur mein Gewissen. Und dieses elende Miststück hat sich irgendwann entschieden, gegen mich zu arbeiten, komme, was wolle. Jetzt fleht es mich an, dass ich meinen Fehler zugeben soll, denn einen Freund wie Sven zu belügen ist doch das Letzte. Und was soll schon groß passieren?
Die Antwort auf diese Frage sind ein paar harte Schläge auf meinen rechten Oberarm, gepaart mit wüsten Beschimpfungen. Nicht mal die Tatsache, dass ich verzweifelt war, weil Bülent Jessis Wohlergehen bedroht hat, hilft mir, den wütenden Sven zu beruhigen.
» Das kannst du nie wiedergutmachen!«, brüllt er.
» Jetzt komm mal wieder runter!«, halte ich ihm entgegen. » Du hast doch eh Angst vor der Tour gehabt, sonst wärst du schon längt unterwegs.«
» Red keinen Scheiß! Bloß deinetwegen bin ich noch hier. Nur wegen dir und deiner verkackten Ehe, die zu retten du zu blöd bist.«
» Das ist ’ne Verlobung, keine Ehe.«
» Ahaaa, und, wie läuft’s? Hast du alles wieder hinbekommen?«
Ich schweige aus taktischen Gründen. In emotional aufgebrachte Situationen gehören keine Beziehungsanalysen. Insbesondere nicht, wenn Sven involviert ist, der mich sofort wieder treffsicher beleidigen würde.
» Verstehe«, behauptet er mit etwas weniger Aggression in der Stimme, nachdem ich zwei Minuten durchgehalten habe.
» Pass auf, ich tu, was du willst. Echt. Ich schulde dir was. Wünsch dir was, ich bin dabei.«
Sven überlegt einen Moment, dann stiehlt sich ein Grinsen auf sein Gesicht. » Okay, Frettchensitter. Akzeptiert. Und mach dir keinen Kopf um das Rad, ich kann Hondos haben. Das rüste ich für weniger als hundert Euro um. Und dann geht’s los.«
Dieser hinterfotzige Pavian hat die ganze Zeit nur darauf abgezielt, mich dazu zu bringen, ihm einen Wunsch zu gewähren. Nun feixt er bis über beide Ohren, und ich lasse ihm seinen Sieg. Was soll schon passieren? Idi Amin wird mich schon nicht totbeißen. Dass Sven nun aber auch noch einen Futternapf aus seiner Tasche zieht und mir vor die Füße stellt, ist schon fast perfide.
» Freude! Freude! Ein Frettnapf.«
» Freude! Freude!«
Als um kurz vor sieben mein Handy läutet, habe ich mich von Sven in das kleine Einmaleins der Frettchenpflege einweisen lassen und vor seinen Augen Idi Amin verziehen. Dafür mussten wir natürlich in seine Wohnung fahren, die inzwischen streng nach Brice und den Frettchen riecht, eine fiese Mischung sondergleichen. Sven ahnt, was Idi angeht, nicht, dass ich sehr auf die sicher ausgefallenen Ernährungsangewohnheiten der bald eintreffenden Chinesen setze. Er
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