Frettnapf: Roman
die B-Movies, in denen der Held am Ende eine große Rede hält, die inhaltlich aber so schwach ist, dass man sich nur für ihn schämen kann. Genauso wie für alle, die ihm zuhören und ihn schließlich frenetisch feiern. Ich hingegen werde einfach die von mir erkannte Wahrheit verkünden und nicht groß erläutern, was ich so alles gelernt habe, denn das weiß ich nicht mal ganz genau. Im Grunde habe ich ja auch nichts gelernt, sondern lediglich ein paar neue Prinzipien begriffen.
» Frequenz?«, fragt eine Nachricht auf meinem Handy.
Ich google die Antwort und schicke sie ihr.
Jerry ist noch im Sender, aber auf dem Sprung, ein wichtiger Termin mit einem großen Sponsor. Er hat gerade noch Zeit, mir Glück zu wünschen und zu fragen, wo ich eigentlich meine Demos abgespeichert habe, er findet auf dem Server nichts. Mein » Doch, doch, die müssen da sein« befriedigt ihn fürs Erste.
» Junge, das ist jetzt echt ’ne große Kiste. Freitagabend. Sabber bloß nicht zu viel rum und nimm viele Party-Calls rein, so wie Markus, kennst du ja.«
» Logisch«, lüge ich. Mit dem Namen Markus verbinde ich nur Mumps, da ich am Abend nach dem großen Kinoerlebnis » Gib Gas– Ich will Spaß« mit Nena und Markus von meiner Mutter ins Krankenhaus gefahren worden bin, wo eben jener diagnostiziert wurde. Wobei es auch zwei Marki bei Energy gab, einen in der Nachrichtenredaktion, den anderen für ein paar Wochen am Morgen.
Während mir all das durch den Kopf geht, redet Jerry unermüdlich weiter. Ich bekomme nur am Rande mit, dass ab neun ein Party-Reporter unterwegs sein wird, um mir die ersten Stimmungsberichte ins Studio zu liefern, immerhin feiern heute Pi, Pa und Po hier und da das und jenes. Ich merke mir kein Wort, sondern überlege schon krampfhaft, wie ich meine Botschaft an Jessi beginne. Jessi, Jerry, Jens, ich bin in einem verdammten Universum mit J gelandet, denke ich, und Jerry sagt gerade, dass ich mir keine Sorgen machen muss.
» Rene stellt dir die Anrufer durch, die liegen dann immer auf der Fünf. Ihr kennt euch ja schon, oder?«
Rene schüttelt den Kopf, während ich nicke, aber da Rene in Jerrys Rücken sitzt, reicht ihm meine Bestätigung. Noch zwei, drei vermutlich enorm wichtige Informationen, kritische Nachrichten, wie es in schlecht übersetzten Filmen so gerne heißt, dann klopft mir Jerry auf die Schulter, lächelt und erinnert mich an den Spirit meiner ehemaligen Kollegen.
» Denk an die Jungs, die diesen Sender möglich gemacht haben, deine alten Freunde!«, pathetisiert er. » Heute sendest du für sie!«
Ich verzichte darauf, mein Verhältnis zu den coolen Kindern von damals richtigzustellen und ihm noch einmal zu erklären, dass ich in deren Augen nur ein weiterer Dödel war, der es zu nichts gebracht hat, nicht mal zum Claimaufsager. Nein, ich gebe Jerry einen High five, wozu er mich mit erhobener Pranke auffordert, lasse mir von ihm mit der anderen Hand brüderlich den Rücken tätscheln, und verfolge dann jeden seiner Schritte bis zur Ausgangstür.
» Ich hör die erste halbe Stunde noch im Auto!«, ruft er zum Abschied. Mir steigt ein zufriedenes Lächeln ins Gesicht, denn damit wird er Ohrenzeuge eines kleinen Stücks Münchner Radiogeschichte. Selbst wenn er zunächst mit Sicherheit lieber seinen Partyscheiß hören würde, wird er nach meinen Worten an Jessi erkennen, dass er Zeuge von etwas ganz Großem ist. Mit Glück bekomme ich danach sogar noch den Job als Moderator, aber davon will ich nicht ausgehen, es ist nur nicht vollends auszuschließen. Das Wichtigste ist, dass ich jetzt endlich mal in Ruhe aufschreibe, was ich sagen möchte.
» Woher kommst’n du?«, will allerdings erst noch mal Rene wissen.
» Von Energy«, antworte ich und lasse die gefühlten zwanzig radiofreien Jahre geschickt unter den Tisch fallen.
» Und was haste da gemacht?«
» Moderiert.«
» Energy München? The power of music?«
Da Renes Unterton schon verrät, dass er mich und meine Stimme nicht kennt, umschiffe ich auch diese Klippe elegant, indem ich meinerseits seinen Dialekt einzuordnen versuche. Da er definitiv nicht fränkelt, antworte ich, dass NRJ Nürnberg meine letzte Station war, worauf er nur nickt und vermutet, dass ich daher dann wohl auch Jerry kenne. Er hat aus unerfindlichen Gründen ein Lineal in der Hand, das Schwert des kleinen Mannes, mit dem er immer wieder auf die Innenseite seiner anderen schlägt. Patsch, patsch, patsch. Es ist offenbar davon auszugehen, dass er seit
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