Frettnapf: Roman
Endlich«, sagt Jessi. » Aber rechnet bitte nicht damit, dass wir das irgendwann nachholen. Jens ist nicht der Typ für eine Ehe.«
Davon ist Jessi seit meiner zögerlichen Antwort auf die Frage, warum ich sie heiraten will, überzeugt. Ich habe ihr zwar gesagt, dass ich sie liebe und dies gerne vor der Welt und meinen Freunden einen Tag lang zelebrieren möchte, allen reinreiben, wie verdammt glücklich ich bin, und dabei unantastbar zu sein. Dazu kämen die ganzen Sachen mit der Vaterschaft, die Steuerersparnis und natürlich der Name. Jessi hätte meinen Familiennamen angenommen, und Matilda hätte niemals erklären müssen, warum ihr Vater anders als ihre Mutter heißt, wobei man bei der heutigen Scheidungsrate auf dem Spielplatz eher dann der Außenseiter sein wird, wenn die Eltern denselben Nachnamen haben. » Sind das Geschwister?«, dürfte dabei eine oft gestellte Frage sein.
Letztlich konnte ich meinen Hochzeitswunsch aber nicht gut genug begründen, um Jessi davon zu überzeugen, geschweige denn mich. Ich hatte mir vorher nicht den Kopf darüber zerbrochen, warum wir heiraten wollten; zunächst ging es ja wirklich vor allem um die Vaterschaft und das Kind. Und sie hatte schließlich mit dem ganzen Scheiß angefangen!
» Und warum hast du nicht gleich gesagt, dass du dich mit der Institution Ehe noch nicht beschäftigt hast und es im Grunde gleichgültig ist, ob wir es tun oder nicht?«, hatte Jessi dagegengehalten.
» Weil’s nur ein Zettel ist, der ein paar Dinge im Leben einfacher macht.«
» Wenn du das so siehst, sollten wir es lassen. Es schadet dir bestimmt nicht, wenn ein paar Dinge in deinem Leben nicht einfacher werden. Und auf einen weiteren Zettel in deinem Chaos kann ich gut verzichten.«
Nach dieser Ansage war ich kurz unsicher, ob Jessi wegen meines Totalversagens in Sachen Ehegrundlagen sauer auf mich sein würde, doch das stellte sich zum Glück sehr schnell als unbegründet heraus. Denn sie gab zu, dass sie dieselbe Meinung wie ich zu der ganzen Thematik hatte und deswegen, wenn ich damit einverstanden sei, die Sache lieber abblasen würde. Damit war der Weg für Aylin und Hondo frei.
Jetzt betritt Aylin in einem Kleid die Mandlstraße, für dessen Gegenwert man das gesamte Standesamt renovieren könnte. Um es dazu auch noch mit einer Solaranlage auszustatten, müsste man nur Maleas Schmuck und Kostüm ins Pfandhaus bringen. Sie sehen bezaubernd aus, und Aylin wirkt mindestens ebenso aufgeregt wie Hondo.
» Eine klasse Frau, echt scharf«, raunt mir mein Vater zu, der den ganzen Tag mit seiner Videokamera festzuhalten versucht.
» Vergiss nicht, die Tonspur von dieser Szene stumm zu schalten, sonst hört man dich die Braut scharf finden«, raune ich zurück. Kurz darauf strömt eine kleine Hochzeitsgesellschaft aus dem Trausaal und wir wie eine Kuhherde in ihren Stall hinein. Hinter uns trudeln schon die ersten Gäste der folgenden Eheschließung ein, hier geht es zu wie im Taubenschlag zur Vogelhochzeit.
Während der Zeremonie greift Jessi meine Hand, drückt sie fest, und eine Träne läuft ihr über die Wange, als Hondo und Aylin ihre Eheurkunde unterzeichnen und die Ringe tauschen. Das hätten wir sein können, nur wären wir dabei nicht wir selbst gewesen.
Fehlt eigentlich nur noch Sven, ohne dem ich Hondo nie begegnet wäre und der auch für sonst alles zwischen uns allen irgendwie verantwortlich ist. Selbst Hondos Bewerbung als Türsteher bei Armani hat er geschrieben, ohne die Hondo, streng genommen, Aylin gar nicht begegnet wäre. Sein letztes Lebenszeichen war eine SMS aus Wien: » Kaffeehäuser bauen, aber keinen Kaffee kochen können! Vierzig Variationen, keine schmeckt! Was geht eigentlich mit den Österreichern ab? Komme zur Hochzeit!!«
Aber vielleicht hat diese staatsfeindliche Message der österreichische Geheimdienst abgefangen und foltert ihn nun mit Melanges, Einspännern, Kleinen Braunen, Fiakern, Kapuzinern und Mokkas in all ihren Variationen, um seinen Kaffeegeschmack zu brechen.
Malea und ich unterzeichnen ebenfalls schnell, Braut und Bräutigam küssen sich, ein von den beiden für den Anlass als angemessen eingestuftes Musikstück beginnt, ein fröhlicher Klezmer, zu dem sofort alle mitwippen. Ich beeile mich, um als Erster aus dem Saal zu kommen, nur mein Vater drängt sich an mir vorbei, damit er mit seiner Kamera eine gute Position vor dem Standesamt findet. Und dort steht Sven mit einer Kutsche.
» I hoab ma dochd, doss a Fiaka nöhd schodn
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